Literatur und ihre Vermittlung hatten wesentlichen Anteil an der »Erfindung der Nation«: Sprache und Kultur wurden in den Dienst nationaler Einheitsstiftung gestellt und wirkten zugleich als Mittel des Ausschlusses all dessen, was als »anders« oder »unrein« wahrgenommen wurde. Das Buch zeigt, wie Literatur sich dieser Vereinnahmung widersetzt. Es lenkt den Blick auf die Herausbildung »transkultureller Literaturen«: Migrationsliteratur, Minderheitenliteratur und postkoloniale Literatur, die globale Fragen thematisieren, formal hybrid sind und sich durch Sprachwechsel oder literarische Mehrsprachigkeit auszeichnen. Dabei kommen auch Kinder- und Jugendliteratur, Popkultur oder Trivialkunst zur Sprache. In Anlehnung an die »Poétique du Divers« des karibischen Schriftstellers Édouard Glissant fordert Werner Wintersteiner eine Neuorientierung auch der Literaturdidaktik im Sinne interkultureller Bildung, die dem Wechsel von nationalen zu transkulturellen Paradigmen Rechnung trägt.

Literatur, Bildung, Globalisierung

Für eine Poetik zwischen den Nationalsprachen und -literaturen und jenseits davon.

Werner Wintersteiner, ao. Prof. Mag. Dr,; forscht und unterrichtet am Institut für Germanistik der Universität Klagenfurt. Mitherausgeber der Zeitschrift "ide - Informationen zur Deutschdidaktik". Umfangreiche Publikationstätigkeit zu Friedenspädagogik, Literatur und Literaturdidaktik, darunter Pädagogik des Anderen (1993) und "Hätten wir das Wort, wir bräuchten die Waffen nicht" (2001). Bei Drava: Das neue Europa wächst von unten (Hg., 1994); Wissen schafft Frieden (Mitherausgeber, 2005).

Sehr gut gewählt sind die vielsprachigen Textbeispiele, deren Deutung Anlass dazu gibt, eine >Poetik der
Diversität< zu fordern, die das Bewusstsein um Alterität und um die Notwendigkeit einer Überwindung nationaler Engstirnigkeit aufweise. Die drei Teile (ergänzt durch Bibliographie und Register) sind mit Grundsatzthesen und systematischen Schlußexkursen ausgestattet. Die Rolle einer >neuen Komparatistik< wird überzeugend dargelegt. (Horst Fassel , Germanistik, Internationales Referatenorgan mit bibliographischen Hinweisen)

Wintersteiner schreibt essayistisch-süffig, ohne damit oberflächlich zu werden und hebt sich auch hier von einem typischen Nationaldiskurs der Wissenschaftlichkeit ab. (Annette Kliewer, Wirkendes Wort)

Was Wintersteiner in dem klar gegliederten, gescheiten Arbeitsbuch entwirft, ist nichts weniger als eine Poesie der Verschiedenheit: Nicht auf die Beschwörung der Gemeinsamkeiten von Kulturen kommt es an, sondern auf einen Respekt vor der Andersheit, jenseits von Verwerfung und Sehsuchtsprojektionen. (...) [Es] breitet die Umrisse eines kulturwissenschaftlichen Diskurses aus, der über die in Deutschland betriebene interkulturelle Germanistik hinausgeht (...). (Wolfgang Müller-Funk, Der Standard)

In spannenden Exkursen (...) und mit wechselnden Zugängen in Kontinuität des theoretischen Ansatzes zeigt W., wie Literatur als fremdes Wort, fremder Blick auf die Gesellschaft inmitten dominierender Emotionen in kulturellem Gewande den vorherrschenden Meinungen Paroli bietet. (Jens Langer)

DER DISKURS DER DIVERSITÄT. Globalisierung, Kultur und Bildung: Das Exil als allgemeine Welterfahrung? • Von der interkulturellen zur globalen Bildung • Aufstieg und Fall des monokulturellen Paradigmas • Eurozentrismus und Globalisierung • Die Erfindung der Nation mittels Zeitung und Roman • Die Bildung der Nation durch nationale Bildung • Deterritorialisierung und Globalisierung • Rhizome statt Wurzeln oder der Diskurs der Hybridität • Identität und Bildung • Identitätsdiskurse zwischen Tribalismus und Neoliberalismus • Globale Bildung für eine plurale Welt: Sechs Thesen
POESIE DES DIVERSEN. Literatur und Interkulturalität: »Grenzt noch ein Wort an mich« • Grenzüberschreitung der Literatur • Literatur als »Fremdsprache« • Literatur als Vermischung • Grenzüberschreitung in der Literatur • Kafka und die »Kleinen Literaturen« • Konkurrenz und Innovation im literarischen Feld • Sprachgrenzen und Literatur: Literarische Mehrsprachigkeit • »Der Brei der Sprachen« • Mehrsprachigkeit und Globalisierung • Gesellschaftliche und literarische Mehrsprachigkeit • Formen literarischer Mehrsprachigkeit. Beispiele und Streiflichter • »Kreolisierung« des Deutschen durch literarische Mehrsprachigkeit? • Didaktische Konsequenzen
POETIK DES DIVERSEN. Plädoyer für weltliterarische Bildung: Literarische Bildung zwischen nationaler Verengung und humanistischer Unbestimmtheit • Grenzenlose Literatur: Welt-Literatur • Goethe und die Weltliteratur • Weltliteratur und Globalisierung • Weltliteratur und Kosmopolitismus • Zusammenfassung unter literaturdidaktischen Prämissen • Grenzen und Grenzüberschreitungen in der Literaturwissenschaft • Literaturdidaktische Schlussfolgerungen in fünf Thesen