»Die Aufzeichnungen eines Afrikareisenden« sind ein Rückblick auf acht abenteuerliche Reisen, die der Autor und Begründer der Ethnopsychoanalyse von 1954 bis 1977 zusammen mit seinem Forscherteam – Goldy Parin-Matthèy, Ruth und Fritz Morgenthaler – unternommen hat. Die Erzählungen haben in den 23 Jahren seit dem ersten Erscheinen des Buches (1985), das mittlerweile vergriffen war, nichts an Frische und Aktualität verloren. Im Gegenteil, das Buch zeugt von der großen dichterischen Erzählkraft des Autors und zieht den Leser, die Leserin (erneut) in seinen Bann.
Geographische Phänomene wie die Sahara oder der Regenwald an der Elfenbeinküste mit der verrufenen, verwunschenen Stadt Tabou; ethnographische Erfahrungen wie die bei den Amharen in Äthiopien oder den Nomadenstämmen der Tuareg; psychosoziale Beziehungen wie die zwischen dem älteren und dem jüngeren Bruder, die, quer durch das »moderne« Afrika, alte Traditionen neu prägen; oder politische und ökonomische Eingriffe, die – vor allem in der Sahelzone – der großen Dürre vorausgingen; diese Themen bilden die Brennpunkte der Erzählungen. Der Europäer, der dort reist, begegnet den Auswirkungen dessen, was die europäischen Kolonisatoren einst in Gang gesetzt haben …

Aufzeichnungen eines Afrikareisenden

Erzählende und reflektierende Prosa eines "begnadeten Geschichtenerzählers"

Paul Parin, 1916 als Schweizer Staatsbürger noch in der ehemaligen Habsburgermonarchie in der Untersteiermark (Polzela, Slowenien) geboren, wuchs als Sohn einer typischen assimilierten jüdischen großbürgerlichen Familie der Jahrhundertwende auf dem elterlichen Gutsbesitz in Slowenien auf.
Studium der Medizin in Graz, Zagreb und Zürich, wo er 1943 promovierte. Während des Zweiten Weltkrieges war Parin als Antifaschist engagiert und in der Flüchtlingsarbeit aktiv und von 1944 bis 1945 im Rahmen der Schweizer Ärzte- und Sanitätshilfe bei der jugoslawischen Befreiungsarmee im Einsatz. 1946 bis 1952 absolvierte er eine Ausbildung in Neurologie und Psychoanalyse in Zürich; 1958 war er Mitbegründer des Psychoanalytischen Seminars Zürich.
1954 Forschungsreisen nach Westafrika, gemeinsam mit Goldy Parin-Matthèy und mit Fritz Morgenthaler begründete er mit den Studien Die Weissen denken zuviel. Psychoanalytische Untersuchungen bei den Dogon in Westafrika und Fürchte deinen Nächsten wie dich selbst. Psychoanalyse und Gesellschaft am Modell der Agni in Westafrika die Ethnopsychoanalyse.
Er wurde 1992 mit dem Erich-Fried-Preis ausgezeichnet, 1997 erhielt er den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und 1999 den Sigmund-Freud-Preis der Stadt Wien. Paul Parin ist Ehrendoktor der Universität Klagenfurt und lebt seit 1938 in Zürich; seit 1939 zusammen mit seiner Frau Goldy Parin-Matthèy, die 1997 verstarb.
Weitere Veröffentlichungen u. a.: Der Widerspruch im Subjekt: Ethnopsychoanalytische Studien, 1978; Untrügliche Zeichen von Veränderung: Jahre in Slowenien, 1980; Karakul, 1993; Es ist Krieg und wir gehen hin. Bei den jugoslawischen Partisanen, 1994; Eine Sonnenuhr für beide Hemisphären, 1995; Der Traum von Ségou, 2000; Leidenschaft des Jägers, 2003; sowie zahlreiche Artikel zur Ethnopsychoanalyse, Psychoanalyse, Psychiatrie und Neurologie in Fach- und anderen Zeitschriften.

Heute sind diese ganz persönlichen Berichte über unsere Begegnungen immer noch aktuell. Denn Afrika wurde zum Spielball der ehemaligen Kolonialmächte, der Vereinigten Staaten, anderer neutraler Länder und vor allem großer finanzkräftiger Unternehmen des Westens, welche die dort vorkommenden Bodenschätze (Erdöl, Gold, Edelsteine und andere wertvolle Mineralien) ausbeuten wollten. Unvermeidliche postkoloniale Auseinandersetzungen, die Unfähigkeit der »jungen« afrikanischen Staaten, sich gemeinsam zu Interessenverbänden zusammen zu schließen, führten zu schlimmen kriegerischen Konflikten. Die neuen »Eliten« ließen sich leicht gewinnen, die Schwarzen mit der weißen Maske – gleichsam Verräter an den Interessen der Bewohner des Kontinentes – mischten die Karten kräftig mit. Die Einwohner wurden immer ärmer, die von der Landwirtschaft lebende Bevölkerung verlor ihre Daseinsberechtigung. Einfuhrzölle und hohe Subventionierung billiger Lebensmittel machten die Wirtschaft in den meisten Staaten Afrikas kaputt. Die bisher größten Nutznießer haben sich rücksichtslos bereichert.
In den letzten zehn Jahren hat sich die weltpolitische Lage verändert. Auf dem Weltmarkt sind neue Konkurrenten aufgetaucht: China und Indien. Die ehemaligen europäischen Kolonialmächte könnten ein großes Interesse daran haben, die afrikanischen Länder südlich der Sahara aus der Armut, in die sie allesamt geglitten sind, zu befreien. Afrika könnte endlich zu einem prosperierenden Kontinent werden, und damit zu einem großen Markt für die ehemaligen Kolonialherren. Seit einigen Jahren nun will Europa Afrika »entwickeln«. Dabei stößt es auf ein scheinbar unüberwindliches Hindernis: die Korruption. (Paul Parin, Aus dem Vorwort 2008)