Der in den späten 1930er Jahren entstandene Roman Reise ans Ende des Frühlings mit dem Untertitel Blitz in vier Farben, ist einer der provokantesten Romane Vitomil Zupans.
»Die ungewöhnliche Erzählung über die Hass-Liebe-Beziehung zwischen einem Gymnasialprofessor und seinem Schüler knapp vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs stellte bei ihrer Erstveröffentlichung 1972 zusammen mit dem abenteuerlichen Lebensweg ihres Autors eine extravagante Sensation innerhalb der slowenischen Literatur- und Kulturszene dar. Jahrzehnte nach seiner Entstehung hat der Roman nichts von seinem Charme, seiner Ironie und dem Humor verloren, der aus den zahlreichen Facetten des spontanen Selbstbekenntnisses des Professors spricht.
Eine Handlung im eigentlichen Sinn gibt es kaum, auch der gesellschaftliche und historische Kontext sind lediglich skizziert. Im Verhältnis zu seinem unkonventionellen Alter Ego entfaltet sich das aufgewühlte Innenleben des Protagonisten nach und nach zu einer wild wuchernden Trinkerphantasmagorie und mündet in den hilflosen Versuch, aus der kleinbürgerlichen Beengtheit auszusteigen, der aber keine rechten Resultate zeitigt und auch nicht zeitigen kann. Trotzdem bleibt das Ende offen: für die Rückkehr in die alten Rahmenbedingungen; oder für die Wiederholung des Kreises.« (Alenka Koron)

Blitz in vier Farben · Roman

Der frühe, provokante Roman eines der ganz Großen der slowenischen Literatur

Vitomil Zupan, geb. 1914 in Ljubljana, gest. 1987 ebd., Prosaist, Lyriker, Dramatiker, Essayist, Drehbuchautor. Schloss sich nach Anfängen als Seefahrer, Technikstudent, Berufsboxer und Gelegenheitsarbeiter dem Widerstand an und kämpfte bei den Partisanen. Lebte ab 1947 als freier Schriftsteller. 1948 staatsfeindlicher Aktivitäten und versuchten Mordes beschuldigt, wurde er in einem Schauprozess zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. 1954 begnadigt, konnte Zupan ab 1960 wieder veröffentlichen.

Die Geschichte einer ungewöhnlichen Lehrer-Schüler-Beziehung ist eine Perle der slowenischen Literatur. Und Zupans radikale Ästhetik provoziert immer noch. Kai Mühleck, Börsenblatt 11/2013

"Nun sind überdies die ersten fünf Bände einer "Slowenischen Bibliothek" erschienen, die auf immerhin 30 Bände konzipiert ist. Solche Ehre - und Mühe! - wurde bisher nur der polnischen, der tschechischen und der türkischen Literatur zuteil" (Jörg Plath, NZZ, 29.6. 2013)

"Mit Zupan kann man Türen auf- und zuschlagen, in andere Geschichten und Schädel hineinschauen, die doch auch unsere sind - sein Buch ist eine slowenische Liebeserklärung an die Unzurechnungsfähigkeit." (Elmar Schenkel, FAZ 15. 11. 2013 S. 36)

Sonja besitzt nicht die Angewohnheit (unter den unerträglichen Eigenschaften wenigstens eine nicht), Sonja also besitzt nicht die Angewohnheit, mein Zimmer zu betreten, wenn ich Besuch habe. Diesmal aber beherrschte sie sich eine Stunde lang und kam dann mit der Ausrede ins Zimmer, sie hätte keine Streichhölzer. Die Zigarette hielt sie zwischen den Fingern. Tajsi stand auf und zündete sie ihr an. Er drehte das Streichholz zwischen den Fingern und blies es aus. Ich beobachtete ihn. Sein Benehmen war nicht zurückhaltend, obwohl er gerade erst achtzehn war (dieses Blümchen war bis zur Sechsten zweimal in Mathematik und zur Draufgabe noch einmal in Physik und in Religion durchgefallen). Sonja brachte eine unmögliche Stimmung ins Zimmer. Bis zu ihrem Auftritt behielt ich wenigstens dem Anschein nach den würdigen Abstand des klugen, ausgeglichenen, reifen Mannes dem verirrten Jüngling gegenüber. Meine Frau aber stichelte uns mit der Frage, warum wir denn so schrecklich ernst seien, und bemerkte, dass es ihr vorkam, als hätten wir bisher nur Karnevals-Missalien gesungen. Sie fragte, ob sie störe. Als ich düster abwinkte, setzte sie sich aufs Sofa und begann sich mit Tajsi zu unterhalten.
Es stimmt schon, dass ich ihr schon eine Zeit lang von diesem blöden Tajsi gesungen habe, obwohl ich selber nicht weiß warum. Ich betone, dass sein Geschreibe ziemlich verrückt ist, also vor allem unordentlich, es zeigt einen unausgeglichenen Menschen, der mit Frühreife geschlagen und mit völliger Unreife begabt ist. Jedoch ist in ihnen etwas Lebendiges, Wildes, Abstoßendes und zugleich Bezauberndes. Und – das traf mich am härtesten – an dem Jungen war nichts Kindliches mehr, ja, er war sogar weniger naiv als ich selbst. Tajsi glaubt an nichts, Tajsi achtet nichts. Tajsi weiß nichts. Aber Tajsi lebt mit jeder Faser seiner Nerven. Tajsi ist jetzt verliebt, jetzt hasst er die Liebe von gestern. Tajsi ahnt, dass es jenseits seines Fassungsvermögens Dinge gibt, die ihn zu Boden werfen, ihn heben und herumwirbeln wie ein Karussell. Tajsi versucht nicht alles zu verstehen. Tajsi will einfach nur leben. Obwohl ich gar nicht weiß, ob er etwas will oder nicht. Tajsi ist ein Trottel, der das Weinen und das Lachen in derselben Tasche trägt. Tajsi ist ein vollkommener Esel.