Ein literarischer Reiseführer, eine Landkarte autobiografischer Erinnerungen und zeitgenössischer Gedanken in Prosa, Essays, Poesie, zusammengesetzt aus den Stimmen von Marica Bodrožic, Dragan Velikic, Josef Haslinger, Tony White, Erica Fischer, György Dalos, Mirko Kovac, Ivana Sajko, Nelida Milani, Milan Rakovac, Renato Baretic, Abd Allataef Blfllah, Aljoša Pužar, Daša Drndic, Irena Lukšic, Vlatko Ivandic, Boris Domagoj Biletic, Božica Jelušic, Magdalena Platzova, Drago Orližc, Claudio Ugussi und Alida Bremer.

Gedanken, Phantasien, Erinnerungen

Alida Bremer, Dr. phil., Geboren 1959 in Split/Kroatien. Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft, Romanistik, Slavistik und Germanistik in Belgrad, Rom, Münster und Saarbrücken. Langjährige Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lektorin an den Universitäten in Münster und Gießen.Mit ihrem Mann und zwei Kindern lebt sie in Münster. Freie Autorin und Übersetzerin. Künstlerische Programmleiterin der Buchmesse in Pula/Istrien. Leiterin des Projektes „Kroatien als Schwerpunktland zur Leipziger Buchmesse 2008“.
Zahlreiche Übersetzungen aus dem Kroatischen, Serbischen und Bosnischen (Gedichte, Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Essays).

Reisen kann man auf mehrere Arten und zu verschiedenen Zielen. Eine Destination, die sich nicht nur für diesen Sommer anbietet, ist das nahe Istrien. Im Spannungsfeld zwischen Balkan und Mittelmeer ist der Landstrich von einer bewegten Geschichte geprägt und gehörte zu unterschiedlichen Reichen und Staaten. Nach dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens gelang es der Region sich sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher, vor allem aber in kultureller Weise neu zu konstituieren. Literarisch Reisen sammelt Eindrücke, Phantasien und Erinnerungen von verschiedenen Künstlern und Autoren, die dieser Region irgendwie verbunden sind. Sie folgen dabei den Spuren, die bereits große Literaten der Weltgeschichte wie Thomas Mann oder James Joyce hinterlassen haben. Die literarischen Konstante spiegeln dabei die Wirkung wieder, die dieser Ort auf die verschiedenen Geister der Schreibkunst ausgeübt haben dürfte, wider. Es sind vielfältige Begegnungen mit diesem Raum und sie führen zu einer Variation unterschiedlicher literarischer Erscheinungen. Das Buch versteht sich auch als Dialog zwischen den einheimischen Literaten und jenen Autoren aus anderen Ecken Europas (von den Nachbarregionen bis nach England), die den einzigartigen Landstrich aus einer völlig anderen Perspektive betrachten.
Alida Bremer (Hg.) Literarisch Reisen: Istrien (Die Brücke)

Schon Dante Aligeri, der wichtigste Dichter des Mittelalters und der bis heute bekannteste Dichter Italiens soll in Istrien gewesen sein, der Ire James Joyce, der Russe Vladimir Nabokov, der deutsche Thomas Mann und Paula von Preradovic, die Autorin des Textes der heutigen österreichischen Bundeshymne, das sind weitere große literarische Namen, die sich von Istrien, dem Landstrich im Spannungsfeld zwischen Balkan und Mittelmeer, inspirieren haben lassen. Der von der Sprachwissenschafterin Alida Bremer herausgegebene Band aber versammelt keine historischen Texte zu Istrien, sondern zeitgenössische Prosa, aber auch Lyrik. Die Gedichte sind jeweils zweisprachig, in kroatisch und deutsch abgedruckt.
Viele der Prosatexte erzählen tatsächlich von Reisen durch die Halbinsel, etwa zu den archäologischen Ausgrabungen der Burg von Monkodonja bei Rovinji.
Ein Auszug aus einem Text der jungen Zagreber Autorin und Regisseurin Ivana Sajko. Was die Texte der kroatischen Autorinnen und Autoren jenen der anderssprachigen voraus haben: den Innenblick auf Istrien, der oft nicht unkritisch ausfällt, etwa auch bei Vlatko Ivandic: Zitat
Über Pula, die größte Stadt Istriens, einst bedeutender Militärhafen der Habsburger Monarchie und heute beliebter Urlaubsort, ist in dem Sammelband übrigens viel zu erfahren. Insgesamt sind die Beiträge, die von mehr als 20 Autorinnen und Autoren stammen, naturgemäß stilistisch sehr unterschiedlich, lesen sich manchmal leichter manchmal etwas schwieriger. Was die mögliche Lektüre während eines Istrien-Urlaubs noch anschaulicher machen könnte, aber leider fehlt: eine Landkarte - mit deren Unterstützung ließe sich die literarische Reise auch geografisch nachvollziehen.
(ORF Burgenland Kultur- Adelheid Reiterich)

Gleich nach der Ankunft bin ich auf eine intakte, verschlafene mittelalterliche Kleinstadt,Grožnjan, gestoßen, deren Straßen noch nicht für Autos konzipiert worden waren. Ihr Ambiente könnte jeder Gemeinde in Toscana zur Ehre dienen. Motovun strahlte hingegen eine gewisse Strenge aus, als wäre die Burg immer noch auf der Hut vor irgendwelchen Eindringlingen. Gleichzeitig fand eine friedliche Belagerung durch Touristen statt. Porec mit seinen vollen Straßen, zahllosen Kirchen und Restaurants schien Andacht und Lebensfreude mit einander versöhnen zu wollen. Hum faszinierte mit seiner lilliputanerhaften Urbanität. Städte sind keine Fragen von Quadratmetern, sie entstehen und existieren durch ihre Einwohner.
Pula beeindruckte mich nicht so sehr mit seinen Sehenswürdigkeiten – obwohl diese gar nicht von der Hand zu weisen waren -, als mit Gefühl, daß ich nach Hause angekommen bin. Die italienische Straßentafel konnten mich nicht irreleiten – ich befand mich ohne Zweifel in einer k.u.k Provinzmetropole, allerdings unter günstigeren klimatischen Bedingungen. Eine echte, pulsierende geschäftige Hafenstadt – der Traum für jeden Mitteleuropäer, der über kein eigenes Meer verfügt.
Eine Rückblende: die Insel Brijuni. Zwei Ausstellungen bewahren hier Titos Andenken: Der Großherr besaß eine kindische Schwäche für prominenten Gäste, Staatschef und Filmstars sowie für exotische Tiere, welche er während seiner fünfundzwanzig „Friedensmissionen“ als Staatsgeschenke gesammelt hatte Die edlen Bestien mochte er sowohl lebend als ausgestopft. (György Dalos)