Gespenster sind Wiedergänger, Untote, denen das Ableben missglückt ist. Sie sind unheimlich und faszinierend zugleich. Von einem solchen Gespenst handelt dieses Buch: Der Begriff Heimat, so will es scheinen, passt nicht mehr recht in eine post­moderne Welt, die den Menschen ein Höchstmaß an geographischer Mobilität und identitärer Flexibilität abverlangt. Und doch können sich Heimatproduzenten aller Arten nicht über mangelnde Nachfrage beklagen. »Traditionelle Werte« scheinen – nicht nur in den USA – immer dann zu boomen, wenn das, was sie zu schützen vorgeben, der Rationalisierung zum Opfer gefallen ist.
Was Heimat ist, wie sie konstruiert, inszeniert und vermarktet wird, versuchen die AutorInnen dieses Buches anhand von Fallgeschichten zu beantworten. Sie erzählen von einem Straßenzug in Bozen, einer Raststation an der Autobahn, von Déjà-vu-Erlebnissen in der Fremde, von Texten der Literatur oder von Jugendlichen im zerstörten Vukovar. Sie dekonstruieren die großen Erzählungen, indem sie den vielen »kleinen« nachspüren, die erst in ihrer Widersprüchlichkeit jenen vielgestaltigen und vielstimmigen »Text« ergeben, den man Kultur nennt. So ist das Buch eine Anleitung zum Lesen, aber auch eine Ermutigung zum Erzählen – eine Verführung zur Methode der »narrativen Empirie«.

Fallgeschichten zum Heimatbegriff

"Traditionelle Werte" feiern ein Comeback. Das Buch fühlt einem davon auf den Zahn: Was verbirgt sich hinter dem Begriff Heimat?

Dietmar Larcher, Koordinator des Herausgeber- und AutorInnen-Teams, stammt aus Tirol, unterrichtete zunächst als Sprachlehrer an verschiedenen Gymnasien, dann als Erziehungs- und Kulturwissenschafter an Universitäten in den USA, in Österreich (Innsbruck und Klagenfurt) und im Iran. Zahlreiche Buchpublikationen, darunter Fremde in der Nähe (Drava 1991), Kulturschock (Alpha Beta 1992), Die Liebe in den Zeiten der Globalisierung (Drava 2000).

Grundlagentexte zur Deutung des Begriffs wechseln sich mit Vorort-Schildungen und Spurensuch-Texten ab. Offengelegt wird ein verkompliziertes Labyrinth schwieriger Heimatwege zwischen Heimsuchungen, Ausschweifungen und Schiefheilung. Nicht nur die postmoderne Heimatlosigkeit mit ihrer neuen Unübersichtlichkeit, ihren biographischen Verwerfungen und politischen Einstürzen ist ein Problem, sondern auch die alten unaufgeräumten Heimatfragen, die "Heimatgespenster" (Südtirol, Mehrsprachigkeit, Kulturenkonflikte), sind immer noch latent vorhanden. (www.pro-regio-online.de)

Des Kaisers neue Heimat (Vorwort der Hg.) • Matrosen im Tirol (Dietmar Larcher) • Der Zaun um meinen Garten (Ute Twrdy) • Heimatbegehung (Hans Karl Peterlini) • Kralj Matjaž, eine bewegte Geschichte (Wolfgang Schautzer) • Heimsuchungen (Marion Thuswald) • Rasthaus Tyrol – Heimat auf der Überholspur (Ute Twrdy) • Heimat, eine Schiefheilung – Südtirols große Erzählungen (Dietmar Larcher) • Code Switching – Heimkehr in eine fremde Sprache (Brigitta Busch)