Die in dieser Auswahl vertretenen Lyrikerinnen und Lyriker gehören einer Generation an, die zwischen 1957 und 1980 geboren wurde. Ihrer aller Leben erfuhr in den 1990ern einen dramatischen Wendepunkt: der Zerfall Jugoslawiens, Wirtschaftssanktionen, die NATO-Bomben, der Sturz Miloševics und – spätestens nach der Ermordung Zoran Ðindics – die enttäuschte Hoffnung auf eine schnelle Wiederherstellung gesellschaftlicher Normalität.
Trotzdem oder gearde deshalb sprechen sie in erster Linie als Individuen. Ihre Reaktion auf die erfahrene Verdichtung der Geschichte auf dem Balkan mündet in ein Delta souveräner Stimmen. Sie wissen, woher sie kommen, sie wissen auch, dass sie – dank des traditionell regen Austauschs der serbischen mit anderen Literaturen – zu Europa gehören und aufgrund der digitalen Revolution zu einem Teil des globalen Dorfes geworden sind.
Die Auswahl für das aktuelle zweisprachige Lyrikpanorama besorgten Dragoslav Dedovic (Köln) und Vladimir Arsenic (Zrenjanin), das Buch erscheint durch eine Kooperation der serbischen Literaturzeitschrift Ulaznica und des Drava Verlags.

Panorama serbischer Lyrik im 21.Jahrhundert

Eine Auswahl aktueller Lyrik zum Serbien-Schwerpunkt der Leipziger Buchmesse 2011 in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift "Ulaznica" aus Zrenjanin.

29 Autorinnen und Autoren
Alen Bešic, Marjan Cakarevic, Enes Halilovic, Oto Horvat, Dejan Ilic, Saša Jelenkovic, Ljiljana Jovanovic, Nenad Jovanovic, Vojislav Karanovic, Zvonko Karanovic, Marija Kneževic, Milena Markovic, Petar Matovic, Petar Miloradovic, Nenad Miloševic, Željko Mitic, Dragana Mladenovic, Živorad Nedeljkovic, Dejana Nikolic, Saša Radojcic, Ana Ristovic, Maja Solar, Rade Tanasijevic, Jasmina Topic, Siniša Tucic, Srdan Valjarevic, Danica Vukicevic, Nina Živancevic, Miloš Živanovic.

In den kunstvoll komponierten Texten spielt die traumatische jüngste Geschichte eine prominente Rolle. Selbstreflexion ist nicht nur in moralischer, sondern auch in poetischer Hinsicht ein wichtiges Thema.
(Ulrich M. Schmid, Neue Zürcher Zeitung)

Zvonko Karanovic
BURN, BABY, BURN!

Niemand möchte
mein perfektes Gesicht kaufen
die glatten Blätter der importierten Magazine
die ich gesammelt und gehütet habe
um das Feuer anzuzünden
wenn der Schnee
die Fenster zuschüttet
meine Augen heißen Langeweile
auf den Straßen die in diesem Sommer kalt sind
meine Mutter ist ein Abendfilm
den ich vergessen haben werde
sobald ich die Tür zuziehe
ich brauche
Aufmerksamkeit
so wie sie die Künstler
Kinder und Kriminellen brauchen
deine dichten Augenbrauen
deine nackten Füße
oh Cindy
du bist nur die wilde Sehnsucht
aus der Straße in der es nie schneit
Treue ist die Essenz
die man nie erreichen kann
die Erinnerungen sind nicht genug
für die Jahre des vergeblichen Kampfes
außer für Aschenputtel die in einem Sarg aus Chrom
von der Strömung getragen wird
ich habe meine Haut mit einer Rasierklinge zerschnitten
weil sie aufs Altwerden zueilt
und mich lässt sie
in dieser Jugend zurück
die nicht vorbei geht
(Aus dem Serbischen von Alida Bremer)