Schon den Großvater trieb es in die Ferne. Als Heizer befuhr er auf einem Tanker die Weltmeere, bis er nach einem abenteuerlichen Leben unerwartet wieder in jene nordserbische Stadt seiner Herkunft zurückkehrte, in der es dem Enkel und Ich-Erzähler bald zu eng wird. Ums Reisen dreht sich, angefangen vom ersten Familienurlaub an der Adria, in diesem Buch alles – in konzentrischen Kreisen, die sich immer weiter vom Ausgangspunkt entfernen. Zunächst wird mit Stationen in den bosnischen Städten Sarajevo, Bihac und Mostar jenes Jugoslawien vermessen, das bald aufhören sollte zu existieren. Je tiefer das Land im Morast korrupter Kriegstreiber und Kriegsgewinnler versinkt, umso unwiderstehlicher wird der Drang auszubrechen: über Novi Sad, Budapest und Szegedin geht die Reise nach Wien: »Ein verriegeltes Tor zum Westen, das uns süß wie Lutschbonbons erscheint.« Die letzte Reise führt nach Nordafrika, im Flug über das Mittelmeer, das einst der Großvater befahren hatte. Wie dessen Geschichte so nimmt auch jene des Enkels ihr vorläufiges Ende in der Stadt, aus der er aufgebrochen war.

Der Titel des Buches stellt einen Bezug zum Jugendbuch »Durch Wüste und Wildnis« des polnischen Nobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz her. Wüste und Staub stehen aber auch für die Erfahrungen einer Generation, die mit den Schrecken des Zweiten Weltkriegs »gefüttert worden war wie mit Muttermilch« und nun ihrerseits in den Strudel zerstörerischer Nationalismen gerät. Dieser verwüsteten Wirklichkeit stellt der Autor eine andere entgegen, eine poetische Reise in 49 Etappen, »rettende Oasen in der wachsenden Wüste der Erinnerungen« – intertextuell verstrickt, assoziativ, fragmentarisch.

Ein Abenteuerroman

Srdjan Tešin, geboren 1971, ist Autor und Journalist. Er veröffentlichte bisher acht Bücher, zuletzt Kroz pustinju i prašinu (Durch Wüste und Staub) (2005), Kuvarove kletve i druge gadosti (Die Flüche des Kochs und andere Abscheulichkeiten) (2006) und Ispod crte (Unterm Strich) (2010).

»… sorgfältig gewählt, dreifach abgewogen und reich an Poesie« (Mica Vujic, Danas)

»… geistreich und elegant ›vorgeführt‹, ganz ohne überflüssigen Ballast und Leerlauf« (Teofil Pancic, Vreme)

Wien ist ein verriegeltes Tor zum Westen, das uns süß wie Lutschbonbons erscheint, aber der Heißhunger, den meine strenge Göttin und ich aus dem Osten mitgebracht haben und der sich niemals stillen lässt, indem wir hierhin und dorthin reisen, öffnet jedes Türschloss. Die Welt braucht Helden wie uns.
In Schönbrunn versteckten wir uns unter den Bäumen mit den viereckigen Kronen, verschämt, weil wir dem Hotelrezeptionisten mit dem Ziegenbart weniger bezahlt hatten, als wir tatsächlich an Getränken aus der Minibar getrunken hatten. Meine Dido, mein Fräulein Artemis, sollte sich später in Sousse an diese Allee erinnern, als wir unabsichtlich in eine Straße kamen, die die »Place de l’Union du Maghreb Arabe« diagonal schneidet. Auch in Tunesien schmückten erfahrene Gartenpfleger die Allee mit viereckigen Kronen, aber fragt mich nicht wieso. Auf Schönbrunn blickten wir zwischen zwei Steinlöwen stehend, die seit 1706 und noch immer unermüdlich ihre Mäuler aufreißen. Die im Rokoko-Stil gehaltene kaiserliche Sommerresidenz verbirgt in labyrinthischen Gärten den ältesten zoologischen Garten der Welt – wenn wir von jenem absehen, den Alexander von Makedonien und Aristoteles geschaffen haben, der aber nicht bis in unsere Jahre überlebt hat. Doch wir sind zwei Bettler, die nicht einmal einen Kreuzer für den Eintritt haben. Was haben wir dann also in Schönbrunn gemacht? Wir schritten im Kreis, wie in unserem Innenhof, von Osten nach Westen, den Wegen aus weißem Kies entlang. Ich sagte zu Artemis, dass es mir phantastisch vorkomme, dass jemand Herr eines solchen Baus sein kann, dass er in der Früh aus dem Baldachinbett aufsteht, die Balkontür öffnet, im Pyjama in den Garten hinaustritt und sagt: »Guten Morgen, Welt. Wieviel kostest du?« Deswegen stand auf der in Sarajevo ins Fleisch eines Habsburgers abgefeuerten Kugel: »Niemand hat das Recht, so groß zu sein.«