Dem Vorwurf, die Kärntner Künstlerszene habe zu lange und bis zum Tod des »politischen Gummimenschen« Jörg Haider über die politischen Zustände im Land geschwiegen, setzt Egyd Gstättner gleich ein ganzes Buch entgegen:
In einer Sammlung von Essays, Glossen, Statements zum »System Haider« und zur Person Haider, die in der Kleinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung, der Presse, dem Standard und anderen Medien erschienen sind, beweist der scharfzüngige Kolumnist, dass es auch Aufbegehren gab, als dies noch als »gefährlich« galt.
Der Sammelband Der Haider Jörg zieht übers Gebirg ist ein literaturhistorisches und zeitgeschichtliches Dokument über das künstlerische und politische Leben im südlichen Österreich zwischen 1999 und 2008.
Als Kulturreferent war Jörg Haider, der?gegen »subventionsabhängige Lemminge« wetterte und Kärnten zu einem Land der begrenzten Unmöglichkeiten machte, einzig den Trachtenvereinen verschrieben, während die vielfältigen Kulturbetriebe am Hungertuch nagten.
Gstättner zeichnet eine Ära der kulturellen Verwüstung nach, die noch lange nach dem Ableben Jörg Haiders ihre Schatten wirft. Deshalb ist es kein Zufall, sondern dient der Katharsis einer leidgeprüften Reihe von Kulturschaffenden, dass post mortem und nach dem Ende einer Ära die Ereignisse rekonstruiert werden.

Quergedanken, Gegenreden und Zurückweisungen in einer dunklen Dekade

Aufzeichnungen aus einer Ära der kulturellen Verwüstung

Egyd Gstättner, geboren 1962, freier Autor, zahlreiche Preise, Auszeichnungen und Bücher, zuletzt Ein Endsommernachtsalbtraum (Wien 2012) und Hansi Hinterseer rettet die Welt (Wien 2013).

Sehr geehrte Damen & Herren, wir unterbrechen die Sendung Ins Land einischau’n für folgende wichtige Mitteilung:
Der Landeshauptmann und Kulturreferent von Kärnten, Präsident des FC Kärnten und FC Feistritz?/?Rosental, Bürgermeister von Triest, Bademeister von Jesolo, Tennismeister von Tripolis, Führer der Lega Nord, Kapitän aller Traditionsverbände, Direktor von Stadttheater, Volkstheater & Burgtheater, Trainer von Sturm Graz, Rapid und Austria Wien, Generalintendant der Tabakwerke und des ORF, Herausgeber der Kronenzeitung, ÖFB-Chef, ÖSV-Chef, ÖAMTC-Chef, Caritasdirektor, Bundeskanzler der Republik Österreich sowie deren Außenminister, Innenminister, Finanzminister, Infrastrukturminister und Frauenminister, Dr. Jörg Haider, einfaches Mitglied seiner selbst, beehrt sich bekanntzugeben, dass er sämtliche politischen, sozialen, gesellschaftlichen, kulturellen, ethnischen sowie sonstige Probleme im Handumdrehen gelöst hat (Tja, man muß eben wissen, wessen Hand man umdreht!), was nun auch alle seine Kritiker, die ihn jahrelang mit persönlichen Ressentiments und blindem Haß verfolgt haben und anfangs Ämterkumulierung, Gesinnungsterror oder gar Machtrausch prophezeit haben, nun aber beschämt am Wegesrand des Heils stehen, endlich zähneknirschend zur Kenntnis nehmen werden müssen. Die gesellschaftliche Realität heute ist: Nirgendwo Proteste, nirgendwo Resolutionen, nirgendwo Demonstrationen, nirgendwo regt sich auch bloß das geringste Widerstandsnest. Die Kritiker aus der linken Schickeria sind verstummt, die ehemaligen linken Denkfabriken ausgebrannte Ruinen. Auch die vormals kranken Journalistengehirne vormals bissiger Medien sehen nun nach und nach ein, dass es nicht angeht, den Hund, der einen beißt, zu füttern. Und sie sind intelligent genug, das Wort Fütterung durch das Wort Presseförderung zu ersetzen und im Wort Hund sich selbst zu sehen. Es grenzte ja an Masochismus, würde sich einer wie er kritisieren lassen oder sich mit Kritik an seiner Person gar inhaltlich auseinandersetzen. Nana! Daher nehmen sich jetzt alle Medien ein Beispiel an der beliebten Sendung Ins Land einischau’n, so ist’s recht. Aber selbstverständlich darf man nach wie vor alles, was man sagen darf, sagen. Endlich kehrt jetzt Normalität ein. Endlich ist der Staat jetzt schlank. Das Budget ist schlank, die Bürger sind schlank, die Studenten sind schlank, die Intellektuellen & Künstler sind schlank, die Kranken sind schlank, die Pensionisten sind schlank. Everybody is fit for the future. Nur die Blasmusikkapellen und die Trachtenvereine sind jetzt fett. Alle Bürger sind rundum glücklich, selig und zufrieden und vergnügen sich rund um die Uhr auf einem globalen Wiesenmarkt.
(Aus: Österreich: Ein Wintermärchen aus dem Jahr 2003, 2001)