Nach dem Roman Angeklagt legt Mariella Mehr wieder einen Band mit Gedichten vor, den dritten innerhalb von fünf Jahren. In immer neuen Variationen, in ständig wechselnden Modulationen und Koloraturen kreisen sie um jene ureigenen Leitthemen, denen sich Mariella Mehr verschrieben hat und die sie nicht loslassen: das Ausgestoßensein in eine Welt, die einen nicht haben will, wie man ist, und die man nicht haben will, wie sie ist; das Heimweh auf der Suche nach einer Heimat; die Sehnsucht nach einer Atempause der Geborgenheit und Verlässlichkeit; die beschworene Zusammengehörigkeit der Roma und anderer Vertriebener, der Lebenden wie der Toten; die Nähe zum Tod, der in seiner Bedrohlichkeit und seiner Verlockung fast greifbar wird. Man bewegt sich durch diese expressiv-suggestiven Gedichte wie durch archaisch aufgetürmte Wortlandschaften, in denen sich bei jedem Tritt bodenlose Spalten und Abgründe auftun. Die Sprache aber ist gegenüber den vorangegangenen Zyklen schnörkelloser geworden, kantiger, stellenweise von sezierender Schärfe. Und gerade dort, wo sie den höchsten Grad schneidender Zuspitzung erfährt, schlägt sie unvermittelt in Lachen um – trotzig und wild wie das Sternbild des Wolfes. Ein Lachen, »von dem sich unseresgleichen/ Brot, Wasser, Luft/ und Atem holt«.

Gedichte

In der konzentrierten Form der Lyrik findet Mariella Mehrs literarische Reflexion zu einer kompromisslos expressiven Sprache.

Mariella Mehr, 1947 als Jenische in Zürich geboren, lebt seit einigen Jahren Italien. 1981 erscheint ihr erfolgreicher Debütroman Steinzeit. Es folgen weitere Romane, Lyrikbände, Dramen und Essays, darunter die Romantrilogie Daskind (1995), Brandzauber (1998) und Angeklagt (2002). Die Werke der Autorin wurden in mehrere Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. Im Drava Verlag erschienen die Gedichtbände Nachrichten aus dem Exil (1998) und Widerwelten (2001).

... Oft steht Mariella Mehr am Acheron in diesem Band – an der Grenze von Leben und Sterben, letzte Zuflucht suchend bei den Sternen, doch auch sie treiben fort. Manchmal huscht ein Engel vorbei und manchmal blitzt der Schalk auf, dem Leben doch noch eine Freude abgetrotzt zu haben. So ist "Das Sternbild des Wolfes" trotz aller Todesnähe ein Gedichtband voller Leben. Mariella Mehr ist eine wilde Schreiberin, die aus der Sprache sehr exakt herausmeisselt, was sie sagen will. Wunderbar ungezähmt sind ihre Zeilen ... (Eva Bachmann, Tagblatt)
... Niemandsland. Das ist Mariella Mehrs Heimat ... (Isabella Straub, Kleine Zeitung)

Cerberus, der Totenwache /
überdrüssig, verlacht /
vergnüglich eines jeden /
Ziel, auch meines. //
Ich, Weltenlose ohne Bilder /
lache mit. //
Ängste? Vielleicht /
ein fernes Ahnen von /
verspielten Zeiten. //
Aus jeder Sicherheit /
verworfen, von jeder Fahrt /
ins Uferlose ausgeschlossen. //
Was tun, mein Herz, /
als fröhlich zu verwildern?