Ben Marchera fühlt sich in Österreich zu Hause. Schon als Knabe ist er mit seinen Eltern aus Abidjan nach Wien gekommen. Doch die Sprache, in der er denkt und schreibt, bleibt die französische: Die literarischen Texte, die er deutschsprachigen Verlagen anbietet, werden der Reihe nach abgelehnt. Nach Bens plötzlichem Tod reist seine Lebensgefährtin Ulrike an die Elfenbeinküste und versucht von dort aus, jenes tagebuchartige Manuskript fertig zu stellen, in dem ihr Freund das niederschrieb, worüber er mit niemandem sprach.
Einfühlsam schreibt Stanislav Struhar über Erfahrungen, die ihm, der aus Tschechien stammt, nicht fremd sind: den versteckten und doch stets präsenten Rassismus, das zwiespältige Heimatgefühl und den schwierigen Balanceakt zwischen den Sprachen.

Roman

Die deutsche Sprache als Maßstab der Integration? Ein Roman zu einer aktuellen Frage.

Stanislav Struhar, geboren 1964 in Zlin (Südmähren), flüchtete 1988 mit seiner Frau nach Österreich. Die Zusammenführung mit dem in der Tschechoslowakei gebliebenen Kind gelang erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Struhar, der als Buchhändler in Wien arbeitet, schreibt seit jungen Jahren Gedichte. Die zweisprachige Gedichttrilogie Stará zahrada – Der alte Garten erschien im Jahr 2000 und wurde 2001 in der Edition Doppelpunkt neu aufgelegt. Das Manuskript ist seine erste Romanveröffentlichung.

„Drei Problemkreise verquicken sich in diesem fast an Paulo Coelho erinnernden Roman: Einmal geht es um Österreich und seine recht skurril-heimtückische Art, so etwas wie negative Integration zu betreiben. Andererseits geht es um die Geschichte des Literaturbetriebes, die sehr staatstragend und dadurch ziemlich ausschließend werden kann, wenn es etwa darum geht, jedem Schriftsteller die nationale Literatur seiner Geburtslandes zu verpassen und Alternativen zu vermasseln. Und zum dritten ist es eine berührende Geschichte um Liebe und Tod und das Geheimnis der Literatur.“ (Helmuth Schönauer, Buchkultur) „Als tschechischer Flüchtling findet Stanislav Struhar in der Haut eines Protagonisten aus der Elfenbeinküste in Wien Unterschlupf. Rechtsstaatlichkeit auf den Punkt gebracht“ (Die Bunte Zeitung)
„Struhar schreibt das Drama eines begabten, überaus sensiblen Mannes, der an den Widerständen der Gesellschaft scheitert.“ (Anton Thuswaldner, Salzburger Nachrichten)
„Ein Roman mit sehr berührenden Elementen, mit einem feinen Charme – oder ist es Ironie? – und mit Textpassagen, die unter die Haut gehen.“ (Maria Peter, Initiative Minderheiten)
„... spannend, aufklärerisch und witzig, trotzt der traurigen und tragischen Geschichte ...“ (Martin Cavelis, Interkulturell und Global)

Kaum war ich außer Haus, vertiefte ich mich in intensive Überlegungen zum Text, aus denen mich das Quietschen von Reifen und ein langes Hupen jäh herausrissen. Ich blieb vor der Stoßstange stehen und konnte mich nicht rühren. Mein Herzschlag nahm mir den Atem. Ich erblickte einen älteren Mann, der sich auf die Stirn klopfte. Gereizt machte er mich darauf aufmerksam, ich befände mich nicht mehr im Urwald, sondern in der Zivilisation. Den Blick in seine aufgeregten Augen gerichtet, erwiderte ich, dass ich mir da nicht unbedingt sicher sei, und ging weiter. Sätze fielen mir in den Rücken. Ich wollte sie nicht hören.
Als ich beim zweiten Haupttor des Zentralfriedhofs eintrat, hatte ich das Gefühl, mich weit außerhalb der Stadt zu befinden. Abgesehen von einigen Blumenverkaufsständen war die Umgebung leer. Ich betrachtete die steinernen Gesichter an den Wänden, die Obelisken an den Seiten des Tores und ging langsam hinein. Vor meinen Augen erstreckte sich ein imposanter Park, voll mit alten, weißgrauen Skulpturen und Grabsteinen. Ich blieb stehen. So einen Friedhof hatte ich noch nie gesehen. Wien kann stolz auf ihn sein …