In dieser Auswahl sind Autoren vertreten, die zwischen 1955 und 1974 geboren wurden. Bis 1992 kreuzen sich ihre Biographien in Sarajevo, dann reißt sie der Krieg auseinander. Neun der insgesamt zweiundzwanzig Autoren leben heute über die Erde zerstreut, die anderen in Sarajevo, Tuzla oder Mostar. Einer kam im Krieg ums Leben, einer im Exil. Alle sind sie nach 1955 geboren, alle entstammen sie einer Generation, die in jenen Vorkriegsjahren, als die alten Spielregeln nicht mehr galten und die neuen noch nicht geschrieben waren, am Rand der bosnischen Literaturszene auftauchte und eine Umwertung der geltenden literarischen Traditionen ankündigte. Ausgeprägte Urbanität und nonchalante Distanz gegenüber der nationalistischen Hysterie sollten sich – unabhängig von ethnischen Zuordnungen und über die radikale Entfremdung durch Krieg und Emigration hinweg – als ihr gemeinsamer Habitus erweisen.
Die ausgewählten Erzählungen entstanden vor, während oder nach dem Krieg, um den die meisten auch inhaltlich kreisen. Sie wurden in Büchern oder Zeitschriften publiziert, von denen viele nicht mehr erhältlich sind. Für diese Anthologie – sie erscheint gleichzeitig in Originalsprache im Buchverlag der regimekritischen kroatischen Wochenzeitung Feral Tribune – wurden sie in vier Kapitel (Das Kind, Die Frau, Der Soldat, Die Stadt) gruppiert und von Bärbel Schulte erstmals ins Deutsche übersetzt. Damit wird der Zugang zum intensiven literarischen Schaffen einer Generation erschlossen, aus der im deutschen Sprachraum bislang nur vereinzelte Namen bekannt geworden sind. Ihre Texte können auch als literarische Zeugnisse jener gelesen werden, über die und in deren Namen in den vergangenen Jahren viel gesagt und publiziert wurde.

Zeitgenössische Erzählungen aus Bosnien-Herzegowina

22 bosnische Autoren erzählen vom Ende einer Epoche, von Krieg und Emigration.

Dragoslav Dedovic, geboren 1963 in Zemun (YU), bis 1992 in Sarajevo und Tuzla, seither in Deutschland. In deutscher Übersetzung: Von edlen Mördern und gedungenen Humanisten (Drava 1997).

... 22 bosnische Autoren, die jetzt in einem vorzüglichen Lesebuch zu Wort kommen, das auf paradoxe Weise von der Zerstörung und dem Fortleben Bosniens zeugt. Einzig im literarischen Bereich der Fiktion nämlich ist Bosnien noch eine ungeteilte Wirklichkeit. Die Literatur hat diese Zerstörung Bosniens zwar zur Kenntnis genommen, ja sie handelt von fast nichts anderem, doch hebt sie sie zugleich auf. Und zwar weder im ideologischen noch im utopischen Sinne, sondern schlicht als Tatsache, dass es sie immer noch gibt: eine bosnische Literatur, die nicht kroatisch, serbisch, muslimisch sein möchte und der die Multinationalität als reale Voraussetzung wie als ideelles Ziel noch selbstverständlich ist ... (Karl-Markus Gauß, Neue Zürcher Zeitung)

... Hier äußern sich die Betroffenen, die Subjekte, aus dem Inneren des Landes, von unten ... (Sabine Peters, Basler Zeitung)

... der erste ernsthafte Versuch, die zeitgenössiche Erzählkunst aus Bosnien-Herzegowina im deutschen Sprachraum vorzustellen ... (Mile Stojic, Dani, Sarajevo)

... Eine mehr als nur empfehlenswerte Anthologie ... (ORF -- Ex Libris)

... Beispiele für die oft "urbane", ironisch-sarkastische Stimmung in den Geschichten der jungen bosnischen Schriftsteller-Generation ... (H.-P. Kunisch, Süddeutsche Zeitung)

... Die Erzählungen ermöglichen den LeserInnen, jene stereotypen Bilder zu korrigieren, die jahrelang und tausendfach über unsere Bildschirme flimmerten ... (Thomas Laimer, Stimme)

... Ein guter und ernsthafter Versuch, eine literarische Generation Bosnien und Herzegowinas im deutschen Sprachraum vorzustellen ... (Nevena Tesic, Buchkultur)

... Wie sehr "Gewalt-Faszination" ein Phänomen friedlicher Demokratien ist, deutet die Distanz dieser jungen bosnischen Literatur zu ihr an. Sie badet nicht in Blut. Brutalität wird "surrealistisch" verfremdet ... (Hans-Peter Kunisch, Süddeutsche Zeitung)

... In der literarischen Fiktion versuchen die Autoren, die ungeteilte Heimat Bosnien noch einmal wiederherzustellen. Dies gelingt ihnen auf außergewöhnliche Weise, obwohl die neu geschaffenen politischen Realitäten ein anderes Bosnien haben entstehen lassen ... (Suleman Taufiq, WDR)

...Geschichten so lakonisch, aber vielsagend, so schmerzvoll, aber warmherzig, so aussichtslos, aber zärtlich. Poesie und Ironie als letzter Ausweg aus unendlichem Leid? ... (Maria Wölflingseder, Zwischenwelt)

Autoren und Autorinnen Dubravko Brigic • Marko Cejovic • Dario Džamonja • Aleksandar Hemon • Jasmin Imamovic• Miljenko Jergovic • Asmir Kujovic • Alma Lazarevska • Adin Ljuca • Semezdin Mehmedinovic • Aleksandar Obradovic • Majo Otan • Damir Ovcina • Mario Paric • Vladimir Pištalo • Goran Samardžic• Dragan Šimovic • Zlatko Topcic • Damir Uzunovic • Nenad Velickovic • Karim Zaimovic • Jasmila Žbanic • Vule Žuric