Aus dem Slowakischen übersetzt von Sigrid Maria Roswitha Eberstaller

Eine Mélange aus Poesie und Prosa: Die Gefühlsbiographie einer reifen Frau, in der sich wahre Geschichte und Realität voneinander lösen.

Das verzogene Bild eines heißen Sommers. Zerfließende Farben der Figuren, gestaltlos kriechen sie aufeinander zu, darauf aus einander zu betasten, zu beriechen. Welches ist das Weibchen, mit dem es sich lohnte wie mit einer freigebigen, scheidefrohen Ziege aufs Eis tanzen zu gehen?

Nie werde ich vergessen, was dir vergönnt war, was dir zukam, du versucht und erfahren hast, warum du unzählige Male vom untersten Stockwerk zur Gebärenden hinaufgestiegen bist, um sie von ihrer umhäuteten Frucht zu entbinden. Nicht vergessen werde ich dir ihre animalische Dankbarkeit, ihr Gesicht, ihre Haut, ihr Geschlecht, am Tag der Sommersonnenwende offen und von rosiger Geschmeidigkeit, ihr hingehaltenes Besitztum. Sie will dich.

Sie wollen dich, sie würden sich um dich zerfleischen, sich deinetwegen ihren alltäglichen Umarmungen entziehen. Sie möchten deine Zange und deinen Kaiserschnitt, mit dem du mich beschneidest, nicht als Tochter befreist, mit dem du eine tiefe Rinne ziehst, um Worte und böse Taten, Ablehnung und Spott hinunterzuspülen, auch derer hier, die auf dich angewiesen waren und sich der Dankbarkeit schämten, die sie dir nicht zu erweisen wussten.

Rút Lichnerová, 1951 in Martin geboren, studierte Slowakische Philologie und Ästhetik in Bratislava. Als Kuratorin und Kunsttheoretikerin mit Schwerpunkt bildende Kunst tätig, veröffentlichte sie ihre ersten Kurzgeschichten in literarischen Sammlungen und Zeitschriften und im Slowakischen Rundfunk. 1989 erschien ihre Sammlung von Kurzgeschichten „V Kremnisku“ (In Kremenisko), 1998 bildete der hier nun erstmals auf Deutsch vorliegende Roman „Slepá rybka“ (Das blinde Fischlein) einen bedeutenden Wendepunkt in ihrem Schaffen und gilt als eines der wichtigsten Werke der slowakischen Postmoderne.