Mit ihrem Gedichtband "Belagerung des Glücks" (slowenischer Originaltitel "Obleganje srece") findet Cvetka Lipuš zu einer neuen Sprache.
In seinem Vorwort schreibt Tomaž Toporišic:
"Cvetka Lipuš bewegt sich auf ihrem dichterischen Weg, der immer wieder von ungewöhnlichen Wendungen gekennzeichnet ist, diesmal auf den Spuren dessen, was der französische Philosoph Alain Badiou mit dem Begriff Figuren der Eloquenz bezeichnet. Um die Sprache in ihren Büchern darzustellen, die zugleich die Brüchigkeit eines fragil gewordenen Subjekts reflektieren, geht sie ebendiesen Figuren und ihrer Eloquenz nicht aus dem Weg. (...) Natürlich ist es der Dichterin bewusst, dass sie (wenn wir nochmals zu Badious Terminologie greifen) die Wahrheit der Zeit in die geerbte Sprache einbetten muss. Doch diese geerbte Sprache ist nicht hermetisch. Im Gegenteil - sie ist durchlässig, mit ihr und durch sie fließen verschiedene Intertexte: dichterische Figuren, alltägliche Slogans, aufgelesene Passagen aus man weiß nicht mehr welchen Büchern."

Gedichte

Cvetka Lipuš, geboren 1966 in Bad Eisenkappel/Železna Kapla, studierte an der Universität Klagenfurt Vergleichende Literaturwissenschaft und Slawistik. Ab 1995 lebte und arbeitete sie in den Vereinigten Staaten, wo sie an der Universität Pittsburgh das Studium der Bibliotheks- und Informationswissenschaften absolvierte. Seit 2009 lebt sie in Salzburg. Ihre Gedichten wurden in zahlreichen slowenischen, deutschen und amerikanischen Anthologien und Zeitschriften publiziert. Bisher veröffentlichte sie sechs Gedichtbände. In deutscher Übersetzung erhältlich: Abgedunkelte Zeit (1995), Geographie der Nähe (2000) und Beugung der Gnade (2006).

Cvetka Lipuš' Gedichte sind filigrane, lakonische Wortgebilde, rhythmisch austariert und von leiser Tonart... ausgehend von einem Ich, das seine Wahrnehmungen und Gefühle in Metaphern hüllt, ... entstehen gleichsam schwebende Momentaufnahmen (Neue Zürcher Zeitung)

Ein lyrisches Ich, das Frieden mit sich macht, sucht man vergebens. Überall eine Spannung, ein Zerren und Reißen an den Strängen der Nerven. Zerreißen werden sie aber nicht. Denn Lipuš ist keine Verkünderin des Unheils, nur eine Sängerin der Traurigkeit.
Hier haben wir keine Gedichte, die im Privaten aufgehen. Die Autorin sucht den existenziellen Nukleus, den wir alle in uns tragen. Welches Ich sich hier auch immer zu Wort melden mag, wie viel Erfahrungsmaterial hier auch immer verarbeitet wurde, angesprochen sind wir. (Anton Thuswaldner in 'Die Furche' 4.11.2010

Gefallene Worte-Engel irren umher zwischen
Fastfood-Regalen. Schlaflos im Vitrinenglanz
nesteln sie an ihrer abgetragenen Gloriole
und flüstern Slogans. Doch schweigend gibt der
erschrockene Kassier,
frisch aus Tomsk,
das Wechselgeld heraus.

He, Frau Ahmatova, Herr Frost, wie wart ihr euch
fremd, dort auf der Datscha! Kommt her, hier und
jetzt stelle ich auch erneut vor: Das ist Anna, das
ist Robert. Im Nu werdet ihr euch in die Vokale
greifen, aufseufzen und zum Parkplatz verschwinden,
den Frühling mit dem grünen Schopf zu suchen,
zuletzt gesehen in Vermont, noch durchfroren
vom schwindelerregenden Sprung in die Neva.

Du mein Amerika, in deinem Topf koche ich,
Bohne an Bohne. Die Schale wird spröde, selbst
die kleinen Finger verflechten sich ins Geplauder.
Stunden schneide ich quer zur Faser, ich schwimme,
Anfängerfischlein, in die verheißene Zukunft.