Ein langer Abschied, gleichzeitig die Geschichte eines Wiederfindens – liebevoll und minutiös protokolliert, zugleich mit einer solchen Eindringlichkeit erzählt, als könnte der lebensbedrohlich erkrankte Freund, indem man nicht aufhört mit ihm zu sprechen, am Leben erhalten werden.
Der Fragilität des Körpers und seiner Abhängigkeit von den erhofften Wirkungen und unverhofften Nebenwirkungen einer hochtechnisierten Medizin ein Stück selbstbestimmtes Leben abzutrotzen – darauf scheint alles gerichtet zu sein: die unerwartete Wiederannäherung nach Jahren der Unterbrechung, das Sich-Aufeinander- Einlassen und gegenseitig Teilhaben-Lassen, das Entwerfen von Zukunftsplänen ebenso wie das Beschwören einer weit zurückliegenden gemeinsamen Geschichte, die von Aufbruch, Utopie, Arbeit und Liebe handelt.
Wie Vignetten über den Text verteilt, verdichtet sich dieses Erinnern zu filigranen, aus der Zeit heraustretenden Bildern von hoher Plastizität, die eine magische Gegenwelt zur allgegenwärtigen aseptischen Sterilität des Krankenhauszimmers erstehen lassen.

Roman

Ein Buch, das mehr vom Wiederfinden handelt als vom Abschiednehmen.

Brigitta Busch, geboren 1955 in Wien, ist Professorin der Sprachwissenschaft an der Universität Wien. Neben ihren wissenschaftlichen Publikationen, von denen mehrere im Drava Verlag publiziert wurden, schreibt sie seit vielen Jahren auch literarische Texte. Zwei davon erschienen in den bei Drava herausgekommenen Sammelbänden »Mut zur Vielfalt« (1991) und »Fremdgehen « (2005).

In deinem Zimmer lasse ich mich auf den Besuchersessel fallen, der beige Kunstlederbezug hat sich in der Sonne aufgeheizt, denn der Sessel steht ganz nahe der Terrassentür an der Wand. Du sitzt schräg gegenüber, auf deine Kissen gestützt, den Kopfteil hochgestellt, im Bett. Du hast mich wahrgenommen, bist aber noch ins Gespräch mit einer Schwester vertieft. Ich lehne den Kopf gegen die Wand hinter mir, strecke meine Beine aus und lasse Sonne und Wärme durch meinen Körper strömen. Ich freue mich auf den Spaziergang in der Dezembersonne, freue mich, bei dir zu sein, versuche in deinen Zügen zu lesen, wie du dich fühlst. Du suchst die Begegnung, fängst meinen Blick ein, wir halten einander mit den Augen fest, verweilen, ruhen einen Moment ineinander. Das Gespräch fordert wieder deine Aufmerksamkeit, ich schaue in den Garten, froh über die stumme Begrüßung. Die Schwester macht sich an deinem Nachttischchen zu schaffen, lädt leere Tupferverpackungen und gebrauchte, Betadine getränkte Gazekissen, die von Handlungen während der Nachtschicht stammen, in eine Einwegnierenschale aus Pappkarton. Mitten in der Geschäftigkeit verfängt sich dein Blick wieder in meinem, ein Lächeln zeigt sich in deinen Augen, du streckst beide Arme aus, viens, lädst du mich ein. Ich löse mich aus dem Sonneneck, lasse dir meine Hände. Du nimmst sie, streichst mit den Daumen über meine Handrücken, dann presst du sie ganz fest. Es wird ein guter Tag werden.