Gut drei Jahrzehnte nach der Doppeluraufführung von Handkes Sprechstück »Kaspar« zeigt die Autorin in ihrer faszinierenden Lektüre-Studie, wie und wodurch dem Stück im Laufe der Jahrzehnte politische Brisanz zugewachsen ist. Und sie stellt fest, dass die vermeintliche Programmierbarkeit durch sozial erwachsen(d)e Sprache weiterhin als bedrohliche Formierung geltend gemacht werden kann.
Die beispielhaften Lesarten des Kaspar verdeutlichen nicht zuletzt die Instrumentalisierungspotenz der Maschinenmetapher. In optimistischer Projektion kann der Kaspar hingegen auch als solidarischer Replikant und somit Hoffnungsträger der Geknechteten verstanden oder als Kindmaschine auf die Suche nach »unendlichem Bewusstsein« geschickt werden. Oder er kann als Cyborg in der Heterogenität der virtuellen Welt enttäuschend für Pluriversalität und Vernetzung einstehen.
Peter Handkes "Kaspar" gelesen als Versuch einer elternlosen Menschheitsstiftung
Existenzverlust durch Sprechfolter. Sechs Lesarten von Peter Handkes "Kaspar".
Sonja Buch, Mag. art., geb. 1978. Studium der Germanistik und Technischen Werkerziehung, Lehrtätigkeit an einer Wiener AHS. Der vorliegenden Studie liegt die Diplomarbeit an der Universität für Angewandte Kunst Wien zugrunde. Ihr zweisprachiges Kinder-Elternbuch Eine kleine Prinzessin – Mala princesa ist, von der Autorin illustriert, 2003 im Drava Verlag erschienen.
Linien: Kaspar – ein nebenmenschlicher Held • Wolfskinder – das vormenschlich Wilde • Die ideale Tabula rasa Oder der dumme Tumbe • Automaten – das nachmenschlich Göttliche • Sechs Lesarten zur elternlosen Menschheitsstiftung Flächen: Bildatlas