Als Tomo Veis, Mittvierziger und erfolgreicher Filmproduzent, erfährt, dass seine Lebensgefährtin Anja von ihrem Ex schwanger ist, zieht er aus der gemeinsamen Wohnung in Ljubljana zu seiner Mutter aufs Land und stürzt sich in die Renovierung des Familienbesitzes. Doch bald gibt es Komplikationen. Nicht nur, dass sich Tomo gezwungen sieht, eine folgenschwere Entscheidung in Bezug auf seine Mutter zu treffen, er bricht auch naiv einen Grenzstreit vom Zaun, der juristische Formen anzunehmen verspricht. Und auch Anja, die den Anstoß zu all dem gegeben hat, tritt wieder in sein Leben, und er nimmt sie, weil er nicht von ihr lassen kann, bei sich auf. Und schließlich sind da noch die alten auf dem Dachboden gefundenen Briefe des Großonkels aus Amerika, die Tomo beschäftigen …
Skubic erzählt die höchst amüsante Geschichte eines Intellektuellen, der bisher gut in seinen Routinen gelebt hat und sich plötzlich an allen Fronten vor die Frage gestellt sieht, wie weit seine Rechte eigentlich reichen und ob es nicht möglich ist, einfach »zu leben«. Dass es nicht so einfach geht, beweist dieser virtous geschriebene Roman, dessen Protagonist sich bemüht, den Menschen gerecht zu werden ? auch wenn es ihm angesichts der Vorgänge und Intrigen, die seine Selbstgewissheit bedrohen und bei denen auch alte Rechnungen und ein ehemaliger Geheimdienstler eine Rolle spielen ? nicht eben leicht fällt.

Roman

Die amüsante Geschichte eines Intellektuellen, der an allen Fronten an seine Grenzen stößt.

Andrej Skubic, geb. 1967, zählt zu den renommiertesten slowenischen Autoren. Sein Romanerstling Grenki med (Bitterer Honig, 1999) wurde 2000 mit dem Kresnik-Preis und mit dem Preis für das beste Romandebüt ausgezeichnet. Der Roman Fužinski bluz (Fužine-Blues, 2001) war ebenfalls für den Kresnik-Preis nominiert und wurde 2005 in einer Bühnenfassung am slowenischen Nationaltheater inszeniert. Sein Roman Popkorn (2006) wurde mit dem Župancic-Preis ausgezeichnet. Für den Roman Koliko si moja? (Wie viel von dir gehört mir?, 2011) erhielt der Autor erneut den Kresnik-Preis für den besten slowenischen Roman. Skubic’ Bücher wurden bislang ins Englische, Russische, Tschechische, Serbische und Kroatische übersetzt.

Warum also hatte ich das nötig? Das wird nie jemand wissen.
Wir sitzen auf der Terrasse vor dem Kino Šiška, und die Debatte läuft nicht. Was kein Wunder ist. Vielleicht dieses Ljubljana-Feeling, ich kann mir nicht helfen. Ich komme her, und die Dinge beginnen irgendwie ihre Plätze einzunehmen, gegen alle Erwartung. Nicht, dass jenes andere Leben nicht wirklich wäre. Ljubljana ist es, das diese Aura des Irrealen hat, eher so. Denn in Ter, da geht’s um was: das ist der Platz, den ich erobert hab, mit eigenen Händen in Angriff genommen hab. Eigentlich soll nur diese Nacht noch vorbeigehen, und ich bin wieder dort; ich werd im Bett aufwachen, und das Ganze hier wird nur ein irrer Traum sein, und Dead Weather werd ich wieder nur auf dem Laptop hören. Mit allem wird Schluss sein. Fürs Erste trinkt Anja von ihrer Cola, dann stellt sie das Glas ab und sagt unvermittelt:
– Ich werd eine Amnio machen müssen.
Ich schau sie groß an.
– In einem Monat, sagt sie.
– Was iss’n das, sage ich. – Klingt griechisch.
– Eine Amniozentese, sagt sie. – Das ist, wenn sie dir in den Bauch stechen und eine Fruchtwasserprobe nehmen. Genetische Untersuchung. Sie machen das, wenn sie den Verdacht auf Chromosomendefekte haben. Downsyndrom und so.
– Downsyndrom?
– Ich war bei der Nackenfaltenmessung, das geht mit Ultraschall, und da hat’s geheißen, dass die Chance, dass das Kind ein Downsyndrom hat, 1 : 323 ist. Das ist eine voll erhöhte Wahrscheinlichkeit, überhaupt weil ich so alt bin. Dann bin ich zum Screening gegangen, um ein wenig runterzukommen – wenn die Wahrscheinlichkeit über 3000 gestiegen wär, wär ich ganz ruhig gewesen und würd nicht zur Amnio gehen, weil, die Amnio ist ein wenig gefährlich. Aber sie haben mir einen Befund geschickt, dass die Wahrscheinlichkeit jetzt bei 1 : 75 liegt. Und dass der Test zu 98?% genau ist.
Wie ein Blödmann gaffe ich das Volk hier an, das mit dem Getränk in der Hand auf dem Trottoir um die Tische herumsteigt. Im Grunde sind wir zu dem Tisch wie durch ein Wunder gekommen, hier hängt wohl das halbe Konzertpublikum rum. Im Kopf hab ich nur den einen Gedanken: ich hätt wissen können, dass es so kommt. Ich hätt wissen können, dass ich mir jetzt so was anhören muss. Warum bin ich nicht durch die andere Tür rausgegangen? Nun, ich hab halt nicht gewusst, wie man zu Anja sagt: also ciao. Gut, ich hab’s eben nicht gewusst: aber muss ich sie deswegen gleich auf ein Getränk einladen? Ist das ein vernünftiger Reflex? Was hab ich jetzt davon? Und was sollen überhaupt diese Ziffern? Fröhliche Mathematik?
– Die Downies sind ganz okay, sage ich, – in Prule haben wir einen gehabt, der hat Ziehharmonika gespielt.
– Komm schon, mach dich nicht lustig, sagt Anja, und es tut mir augenblicklich leid.