Im ersten Teil des Buches gewähren in Österreich lebende Menschen Einblick, wie sie ihren Lebensalltag in verschiedenen Sprachen bewältigen und gestalten. Sie erzählen, wie sie zu ihren Sprachen gekommen sind, was sie dabei erlebt haben, welche Vorstellungen von der Welt und von sich selbst sie damit verknüpfen.
Teil zwei ist der Erkundung von Orten gewidmet – eine städtische Bücherei, eine mehrsprachige Schule, eine sozialmedizinische Einrichtung, ein Freies Radio: öffentliche Räume, in denen Mehrsprachigkeit Platz gegriffen hat, wo sich von der monolingual dominierten Norm abweichende kommunikative und sprachliche Praktiken etablieren.
Teil drei spürt einigen in Österreich gesprochenen Sprachen nach: in welchen Ländern sie in unterschiedlichen Varietäten gesprochen werden, welche anderen Sprachen dort präsent sind, welche Verbreitung sie in Österreich haben, aber auch wo man mehr über die Sprachen und ihre Literaturen in Erfahrung bringen kann.
In der Art eines Lesebuches vermitteln die Texte, dass die Lebenswelten multilingualer Menschen sehr viel komplexer und heterogener sind, als Begriffe wie ›Muttersprache‹, ›Herkunft‹ oder ›Sprachgemeinschaft‹ es glauben machen. Damit liefert das Buch Anhaltspunkte für eine Sprachenpolitik ›von unten‹, die darauf zielt, die gesellschaftlich vorhandene Vielsprachigkeit zu fördern und nutzbar zu machen.
Multilingual leben in Österreich
Ein Buch über Last Und Lust gelebter Multilingualität zum Internationalen Jahr der Sprachen 2008
Brigitta Busch arbeitet als habilitierte Linguistin an den Universitäten Wien und Kapstadt unter anderem an der Weiterentwicklung des sprachbiografischen Zugangs in der Mehrsprachigkeitsforschung.
Thomas Busch hat im Rahmen seiner Verlags- und Editionstätigkeit einen Schwerpunkt auf Literatur und Mehrsprachigkeit gesetzt.
»Vielleicht war es auch eine Notwehrreaktion. Die einzige Waffe, die ich gehabt habe, war eben die Sprache. Ja, und dann musste ich das schärfen, und das ist mir gelungen. Plötzlich über Nacht kriegst du eine mehr oder weniger richtige Satzkonstruktion hin. Die Leute haben mich verstanden! Das war mir wichtig. Das kann ich nie vergessen. Das erste Mal in meinem Leben war ich in einer Situation, wo mir eben nur die Sprache helfen konnte.« (B., kam als Flüchtling nach Österreich)
»Meine Eltern haben sämtliche Gegenstände um mein Bett mit kleinen Kärtchen bedacht, wo ich eben Begriffe auch in Schriftsprache sehen konnte. Sie haben so kleine Sätze formuliert und Wörter aufgeschrieben, mit Artikeln, damit ich auch die Grammatik der Lautsprache besser lerne. Weil wir in der Gebärdensprache haben eine andere Grammatik. Wir verwenden zum Beispiel keine Artikel. Ich hatte dann so über meinem Bett, neben meinem Bett diverse Lerntafeln hängen. Wir haben auch ein Tagebuch gemacht gemeinsam.« (H., gehörlos, zweisprachig aufgewachsen mit Gebärden- und Lautsprache)
»Mit zwei Sprachen aufwachsen, also ich find’s eigentlich ziemlich gut. Ich weiß nicht, man gehört irgendwie zu einer Gruppe, aber gleichzeitig ist man anders. Das heißt, man muss sich nicht erst auf die Suche nach einer Gruppe machen … wie die Emos oder so … man gehört irgendwo dazu. Also für mich ist die Gruppe Kärntner-Slowenisch.« (T., geht in Wien, wo sie geboren ist, zur Schule)