Rade Uhlik bereiste Jugoslawien von den späten 20er Jahren bis in die frühen 60er Jahre und zeichnete in diesem Zeitraum mehrere hundert Texte auf, die ihm mündlich mitgeteilt wurden. Die in diesem Band, dem vierten der Reihe, versammelten Märchen stammen von Gurbet-Roma aus verschiedenen Teilen des ehemaligen Jugoslawien. Aufgrund der Migration leben Gurbet heute auch in weiten Teilen Westeuropas.
Märchen der Gurbet-Roma Gesammelt von Rade Uhlik / Gurbetond'e paramica. Cidijah len o Rade Uhlik
Roma-Märchen: witzig, derb und unverfälscht.
Vielfach ist es schwierig, einen authentischen Zugang zur Kultur von Roma- Gruppen zu erlangen. Zahlreiche Gurbet- Roma wanderten vor allem in den 1960er und 1970er Jahren im Zuge der Arbeitsmigration aus dem damaligen Jugoslawien nach Österreich zu. Jahre zuvor wurden der beeindruckende Reichtum und die Ursprünglichkeit der Erzähltradition von einem Linguisten aufgenommen, vor kurzem im Zuge des Romani- Projekts an der Uni Graz transkribiert und schließlich zweisprachig in diesem bibliophilen Band veröffentlicht. Ein abschließender kundiger Kommentarteil unterstützt bei der Erschließung der teils fremd, teils - nach den Einflüssen der jeweiligen Kontaktkultur - bekannt wirkenden Texte. (Fridrich Christian)
Die Reichen versammelten sich und sprachen miteinander. Einen Reichen, den erwischte eine Laus am Hals. Ein anderer Reicher wollte ihm die Laus vom Hals herunterholen, doch die Laus fiel hinunter auf den Boden. Dem Reichen sagten sie, dass die Laus hinten auf seinem Hals sei. Er sagte: »Die Laus ist nicht zu mir gekommen«. Er schickte Soldaten aus, damit sie die Laus suchten, aber sie konnten die Laus nicht finden. Beim Wühlen im Abfall fand man sie einige Tage später. Sie war so groß geworden wie ein Wasserbüffel. Der Reiche schlachtete die Laus, zog ihr die Haut ab, nahm ihre Haut und befestigte sie an der Türe ...