Der Zaun ist ein höchst doppeldeutiges menschliches Artefakt: er friedet ein und wehrt ab, er schließt aus und schränkt ein. Wie auch immer sich Machart und Material, Gestalt und Bedeutung des Zaunes im Laufe der Zeit gewandelt haben, er ist ein Mittel der Begrenzung. Er zieht die Grenze zwischen Heimeligem und Unheimlichem, Vertrautem und Fremdem, zwischen »Mein« und »Dein«. Der Hausfriedensbruch begann und beginnt am Gartenzaun. »Gute Zäune machen gute Nachbarn« lautet ein dementsprechendes Sprichwort. Der Zaun scheidet Privates von Öffentlichem, er ist besitzanzeigend und eigentumsbewahrend.
Das Autorenteam der UNIKUM-Wander-Reise-Lesebücher widmet sich diesmal dem scheinbar banalen Thema der Umzäunung und Begrenzung: Während Wilhelm Berger die philosophischen und politischen Aspekte ausleuchtet und Werner Koroschitz die zeitgeschichtlichen sowie alltagskulturellen Dimensionen erörtert, bringt Gerhard Pilgram die Ästhetik des Zaunes mittels Farbfotografien zur Darstellung. Schwerpunkt sind verschiedenste Garten- und Weidezäune im Dreiländereck von Kärnten, Slowenien und Friaul, die sich durch eine besonders reizvolle Mischung der Stile und Materialien auszeichnen.

Die Ästhetik des Zaunes als Mittel der Begrenzung - Bildband

Philosophische Aspekte und zeitgeschichtliche Dimensionen eines scheinbar banalen Themas.

Wilhelm Berger, geb. 1957, Sozialwissenschaftler und Philosoph, Außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung IFF in Klagenfurt. Prodekan der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (Klagenfurt – Graz – Wien). Forschungsaufenthalte und Lehraufträge u. a. in Paris, Berlin, Rom, Wien und Graz.

Werner Koroschitz, geb. 1961, lebt und arbeitet als freiberuflicher Historiker in Villach. Wissenschaftliche Leitung des Vereins Industriekultur und Alltagsgeschichte. Zahlreiche Publikationen und Ausstellungen zu kultur- und zeitgeschichtlichen Themen.

Gerhard Pilgram, geb. 1955 in Klagenfurt, Kulturmanager, Autor und bildender Künstler, ist Geschäftsführer des Universitätskulturzentrums UNIKUM. Publikationen u. a.: Kärnten. Unten durch, Klagenfurt 1998; Verschütt gehen, Klagenfurt 2002; Slowenien entgegen – Zu Fuß von Klagenfurt nach Ljubljana, Klagenfurt 2004; Das Weite suchen – Zu Fuß von Kärnten nach Triest, Klagenfurt 2006 (alle gemeinsam mit Wilhelm Berger und/oder Gerhard Maurer).

(...) Das Autoren-Team des Unikums hat in seiner letzten Publikation die Philosophie des Zäunens wie auch die zeitgeschichtlichen und alltagskulturellen Komponenten dieser Erscheinungsform des Sesshaften in Kärnten, Slowenien und Friaul behandelt. Wilhelm Berger schreibt von der Exklusivität und Inklusivität, von der Ambivalenz und der Radikalität des Grenzziehens und Werner Koroschitz sieht in der banalen und unauffälligen Alltagserscheinung des Zaunes die Funktion einer Rhythmisierung einer Landschaft und eine Grenze zwischen Kultur und Natur. (Die Brücke 119/120 August/September 2011)

Peter Handke, Liebhaber von allerlei Grenzen, dürfte mit diesem Buch seine Freude haben. »über die zäune« nennt sich ein Unikum-Bildband, der anhand von Thujenhecken, Steinmauern und Jägerzäunen das Spannungsfeld zwischen Nomadentum und Sesshaftigkeit auslotet. Wilhelm Berger, Werner Koroschitz und Gerhard PIlgram haben Zäune diesseits und jenseits fotografiert, interpretiert und in einen ästhetischen Kontext gestellt(..) (Kleine Zeitung 3.8.2011)

(...) Das Prinzip der Sesshaftigkeit ist die Inbesitznahme, also letztlich der Primat des Privateigentums über das Gemeingut. Jean-Jacques Rousseau hat in seiner Abhandlung über Ursprünge und Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen (1755) weniger einen tatsächlichen Vorgang als das Befremdliche und Ungeheuerliche des Gedankens festgehalten, man könne den Boden, auf dem notgedrungen alle stehen, leben und sich bewegen, also das Gemeingut schlechthin, in privates Eigentum nehmen. Zäune spielen dabei die zentrale Rolle: »Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen ›Dies gehört mir‹ und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Elend und Schrecken wären dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: ›Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen gehören, aber die Erde niemandem.‹« Noch heute sind das so genannte Jedermannsrecht in den skandinavischen Ländern, das deutsche Betretungsrecht oder die österreichische Wegefreiheit, die den freien Zugang zu unbewohnten oder nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen regeln, eher Ausnahmen. (…) Inzwischen ist die Idee des Zäunens so sehr Bestandteil der Gewohnheit und Normalität geworden, dass sie (…) als anthropologische Konstante bezeichnet werden kann, die sogar dem Kommunismus, einem anderen Experten des Einzäunens, seine historischen Grenzen gezeigt hat: »Grenzen setzen (…) hat sich gegen alle Versuche ideologischer oder politischer Art mit dem Ziel, das Gemeinschaftliche als das allein Gültige einzuführen, durchgesetzt. Die Idee der Datscha hat gewisser Maßen den Kommunismus besiegt.« Hier erscheint der Zaun als ein Produkt der natürlichen Ausstattung des Menschen, in dem seine Verwandtschaft mit den ihr Territorium markierenden Tieren zum Ausdruck kommt.
(Wilhelm Berger: Die Wahrheit der Zäune)