Eine Stadt anderswo irgendwo, irgendwo anderswo – bis ins Groteske überzeichnet beschreibt Alexander Widner wortmächtig und mit einer Brise Spott Verhältnisse, Zu- und Umstände einer Provinzstadt.
Die Stadt lief. Irgendwie … Nie von Bedeutung, aber da. Eine dieser Städte, die der Welt hinterher laufen. Und überleben, weil sie übersehen werden, heißt es in seinem Roman.

Roman

Alexander Widner, geboren 1940 in Wien. Verschiedene Orte, verschiedene Berufe. Lebt derzeit in Klagenfurt und New York. Etliche Veröffentlichungen, zuletzt: Am Abgrund der Bücher und NY 11235.

Kreitzberg, mittelgroß, handlich, liegt günstig. Beckenlage, hineingesetzt in die Biegung eines Flusses, Berge rundum, Seen im Kranz um sie, dazu alle Annehmlichkeiten einer leidlich funktionierenden Kleinstadt. Überschaubar wie die Stadt ist, hat sie den Vorteil, dass alles beisammen ist, was zusammen gehört. Rathaus und Größenwahn, Kirche und Gasthaus, Tankstellen und Sportplätze, Theater und Krankenhaus, Parks und Brunnen, Altstadt und Neustadt, Parteisekretariate und Gericht, Hinz und Kunz, Kinos und Kaffeehäuser, Garagen und Lagerhallen, kleiner Flugplatz und großes Gerede davon, Denkmäler und Friedhöfe, Bäume und Tauben, Zeit und Unzeit, Frohsinn und Ernst, Notariat und Schwindel, Aufmärsche und Stille, Argusaugen und Wegschauen, Stammtische, Begeisterung und Ablehnung, Korruption und Gesetz, Tun und Lassen, Blaskapellen, große Söhne, deren Größe exakt an der Stadtgrenze endet, große Töchter, die etwas weiter reichen, Asphalt und Moos, das kurze Glück der Größe und das lange Hadern um Nichtigkeit, Feste nach altem Plan, Moral und Auflehnung, Laster und Frömmigkeit, Gewalt und Sanftmut. Der Klatsch, geschmückt und gebauscht, ist das Futter für die Fantasie im täglichen Gleichlauf, das Brot der Kleinstadt. In alle Richtungen hin innerhalb von vier bis fünf Autostunden eine Weltstadt. Wer genug hat für eine Weile von so viel Handlichkeit, Bürgersinn und Regelmäßigkeit der Abläufe, der rückt aus. Freitags. Und sonntags wieder zurück. Dann ist er wieder in seiner Stadt, die mit ihren Armen in alle Himmelsrichtungen greift, nicht zu weit, dort dann verschwindet sie ins Land. Um die Altstadt läuft die Ringstraße, früher standen dort die Stadtmauern, die vor zweihundert Jahren auf kaiserlichen Befehl niedergerissen wurden. Das Stadtwahrzeichen aus Granit, trotz pompöser Hässlichkeit tapfer ins Zentrum gestellt, ist eine Mischung aus Elefant und Ziege. Der Elefant soll erinnern an den tollen Knaben der Stadt, der schon vor Jahrhunderten auszog, Afrika zu erkunden, die Ziege steht für die Heimat. Und natürlich gilt die alte Regel, die auch in größeren Städten gültig ist, dass eine Hand die andere salbt. Wenn da was zu salben ist. Die Ungesalbten sind arme Schweine wie überall. Und sind gekränkt. Gesalbte und Gekränkte. Eine Stadt wie jede halt.

Eine Stadt anderswo irgendwo, irgendwo anderswo – bis ins Groteske überzeichnet beschreibt Alexander Widner wortmächtig und mit einer Brise Spott Verhältnisse, Zu- und Umstände einer Provinzstadt.
Die Stadt lief. Irgendwie … Nie von Bedeutung, aber da. Eine dieser Städte, die der Welt hinterher laufen. Und überleben, weil sie übersehen werden, heißt es in seinem Roman.

Alexander Widner, geboren 1940 in Wien. Verschiedene Orte, verschiedene Berufe. Lebt derzeit in Klagenfurt und New York. Etliche Veröffentlichungen, zuletzt: Am Abgrund der Bücher und NY 11235.

Kreitzberg, mittelgroß, handlich, liegt günstig. Beckenlage, hineingesetzt in die Biegung eines Flusses, Berge rundum, Seen im Kranz um sie, dazu alle Annehmlichkeiten einer leidlich funktionierenden Kleinstadt. Überschaubar wie die Stadt ist, hat sie den Vorteil, dass alles beisammen ist, was zusammen gehört.“ So beginnt der Roman einer Stadt, oder doch eher: einer Provinz, von der aus man immerhin „in alle Richtungen hin innerhalb von vier bis fünf Autostunden“ in einer „Weltstadt“ ist ...
Sich mit Spott und Gift nicht zurückhaltend, erzählt Alexander Widner hier beeindruckend eine Provinzposse, indem er die Vorkommnisse und Zusammenhänge sprachlich konsequent konstatiert, trocken, mit zuweilen fast protokollarischen Zügen. Und da der Großteil jedes Landes sogenannte Provinz ist, kann man sein kurioses Szenarium durchaus als einen Schlüsselroman zur nur allzu bekannten Welt lesen, in der sich Politiker für ihre Stadt und ihre Bürger zuzeiten noch zu Tode reden.
(Georg Pichler, „Die Presse", 13. 06. 2009)

Kreitzberg, mittelgroß, handlich, liegt günstig. Beckenlage, hineingesetzt in die Biegung eines Flusses, Berge rundum, Seen im Kranz um sie, dazu alle Annehmlichkeiten einer leidlich funktionierenden Kleinstadt. Überschaubar wie die Stadt ist, hat sie den Vorteil, dass alles beisammen ist, was zusammen gehört. Rathaus und Größenwahn, Kirche und Gasthaus, Tankstellen und Sportplätze, Theater und Krankenhaus, Parks und Brunnen, Altstadt und Neustadt, Parteisekretariate und Gericht, Hinz und Kunz, Kinos und Kaffeehäuser, Garagen und Lagerhallen, kleiner Flugplatz und großes Gerede davon, Denkmäler und Friedhöfe, Bäume und Tauben, Zeit und Unzeit, Frohsinn und Ernst, Notariat und Schwindel, Aufmärsche und Stille, Argusaugen und Wegschauen, Stammtische, Begeisterung und Ablehnung, Korruption und Gesetz, Tun und Lassen, Blaskapellen, große Söhne, deren Größe exakt an der Stadtgrenze endet, große Töchter, die etwas weiter reichen, Asphalt und Moos, das kurze Glück der Größe und das lange Hadern um Nichtigkeit, Feste nach altem Plan, Moral und Auflehnung, Laster und Frömmigkeit, Gewalt und Sanftmut. Der Klatsch, geschmückt und gebauscht, ist das Futter für die Fantasie im täglichen Gleichlauf, das Brot der Kleinstadt. In alle Richtungen hin innerhalb von vier bis fünf Autostunden eine Weltstadt. Wer genug hat für eine Weile von so viel Handlichkeit, Bürgersinn und Regelmäßigkeit der Abläufe, der rückt aus. Freitags. Und sonntags wieder zurück. Dann ist er wieder in seiner Stadt, die mit ihren Armen in alle Himmelsrichtungen greift, nicht zu weit, dort dann verschwindet sie ins Land. Um die Altstadt läuft die Ringstraße, früher standen dort die Stadtmauern, die vor zweihundert Jahren auf kaiserlichen Befehl niedergerissen wurden. Das Stadtwahrzeichen aus Granit, trotz pompöser Hässlichkeit tapfer ins Zentrum gestellt, ist eine Mischung aus Elefant und Ziege. Der Elefant soll erinnern an den tollen Knaben der Stadt, der schon vor Jahrhunderten auszog, Afrika zu erkunden, die Ziege steht für die Heimat. Und natürlich gilt die alte Regel, die auch in größeren Städten gültig ist, dass eine Hand die andere salbt. Wenn da was zu salben ist. Die Ungesalbten sind arme Schweine wie überall. Und sind gekränkt. Gesalbte und Gekränkte. Eine Stadt wie jede halt.