Tilda, ein Mädchen aus behütetem Elternhaus, wird dem sympathischen Gutsverwalter Roman zur Frau gegeben. Schon bald erweist sich dieser Schritt als schwerer Fehler; das Gut ist ein herabgewirtschafteter Flecken zwischen den Bergen, Roman ein Hallodri und die reiche Mutter aus Triest hat nichts, um die Schulden ihres Sohnes zu begleichen. So beginnt die Leidensgeschichte einer Frau, in deren Vordergrund die Darstellung des Heranreifens und der Entdeckung der eigenen Identität in den traditionellen Rollen der Ehefrau und Mutter steht. Obwohl Tilda vor allem als Ehefrau unglücklich ist, kann sie sich nicht aus dieser Rolle lösen, denn sie ist überzeugt, dass ihr Schicksal an dem des Mannes hängt, den sie, zu wenig überlegt, geheiratet hat.
»In den Bildern der Mutterschaft klingen nicht nur die Einsichten der Vorgängerinnen der Autorin, etwa Mary Wollstonecrafts, nach, sondern auch der Wunsch, die mit der Mutterschaft verbundenen Vorgänge und Ereignisse möglichst ungeschönt zu zeigen, weshalb stellenweise von einem Vorherrschen naturalistischer Elemente gesprochen werden kann. Der Roman Ihr Leben (1914) kann aber auch als Dialog mit Bildern der Weiblichkeit und der Mutterschaft gelesen werden, wie Ivan Cankar sie im Roman Na klancu (Am Hang) in der Verherrlichung des weiblichen (mütterlichen) Leidens und dessen Stilisierung zum Symbol erschuf. Auch für Zofka Kveder ist das Leben voller Leiden und Aufopferung, doch entbehren sie jeden tieferen Sinns.« (Katja Mihurko Poniž)

Roman

Ein subversiver Frauenroman am Vorabend des ersten Weltkriegs. Ein beeindruckendes Dokument der slowenischen Moderne.

Zofka Kveder, geb. 1878 in Ljubljana, gest. 1926 in Zagreb, Prosaistin, Dramatikerin, Herausgeberin und Förderin junger slowenischer AutorInnen, Übersetzerin; lebte als Berufsschriftstellerin in Prag und später in Zagreb, wo sie bis zu ihrem Tod in der südslawischen Frauenbewegung aktiv war. Sie schrieb in slowenischer, deutscher, tschechischer und kroatischer Sprache, ab 1914 nur mehr auf Kroatisch. Ihr Leben (1914) ist ihr letztes auf Slowenisch verfasstes Werk.

Nun sind überdies die ersten fünf Bände einer Slowenischen Bibliothek" erschienen, die auf immerhin 30 Bände konzipiert ist. Solche Ehre - und Mühe! - wurde bisher nur der polnischen, der tschechischen und der türkischen Literatur zuteil" (Jörg Plath, NZZ, 29.6. 2013)

Es war bereits Sommer, als sie zum vierten Mal von den Entbindungsqualen aufs Bett geworfen wurde. Wie blind und taub lebte sie dahin, seit Mirko und Ela gestorben waren. Als wäre ihr Körper aus Stein und nicht aus lebendigem Fleisch und warmem Blut. Ihr Gesicht sah aus wie eine Maske. Es war schön, und dennoch sah man weg, wenn man es erblickte … Manchmal kam Mimi zu ihr gerannt, und kurz bevor sie bei ihr war, ließ sie ihre kleinen Hände sinken. So groß war die Mutter, ihre Augen blickten in eine fremde, namenlose und geheimnisvolle Welt. Dem Kind blieb der fröhliche Ruf im Hals stecken, es schreckte zusammen, wurde noch kleiner, elend und arm. Dann bückte sie sich zu ihr, nahm sie auf den Schoß und lehnte ihr Gesicht an ihr kleines Köpfchen.
»Du musst keine Angst vor Mama haben, Mimi! Mama hat dich lieb, sie ist nur unglücklich; sie kann nicht lachen. Aber du bist brav, du bist ein gutes Kind.«
Ganz still kauerte das Kind auf den Knien der Mutter, streichelte sie sanft, beinahe ängstlich; es schwieg und dachte nach. Wieder ließ die Mutter den Blick in weite, weite Ferne schweifen, ihre Augen wurden feucht, sie beklagten etwas, erzählten etwas. Die Mutter vergaß auf Mimi, und das Kind glitt behutsam von ihren Knien und hüpfte in die Küche zu Lena, die witzige, lustige Lieder zu singen und wunderschöne Märchen zu erzählen wusste.
Und nun krachten ihre Knochen zum vierten Mal unter den Geburtswehen. Grob und rücksichtslos griff die Natur in ihren Körper ein, um aus ihm ein neues Wesen herauszulösen, einen neuen Menschen. Ihre Muskeln zitterten und spannten sich unter grausamen Qualen. Sie presste die Zähne und die Fäuste zusammen, um schweigend zu leiden. Doch etwas öffnete ihren Mund, dass er aufstöhnte, dass er aufschrie, um Hilfe schrie, wie ein einsames Raubtier, das im Wald brüllt. Stunden um Stunden zerriss sich ihr Schoß, und der Schweiß überlief sie vor unbeschreiblichen und schrecklichen Schmerzen, die das verdammte und zugleich heilige Erbe des weiblichen Geschlechts sind, von Generation zu Generation. Wie einen Halm brach das Leiden ihren Willen und verzerrte ihr Gesicht in unmenschlicher Pein. Eine geheimnisvolle und riesige Gewalt hielt ihren Körper in der Faust, dass er sich wand und herumwarf wie ein Wurm. Das Kind kam unter rohen, ungeheuerlichen Schmerzen zur Welt, wie sie sämtlichen Müttern aller Nationen und aller Zeiten zuteilwerden.