Der vorliegende Band »Heute nicht / Danes ne« umfasst eine Auswahl von publizierten und unpublizierten Gedichten in der (Neu-)Übersetzung von Fabjan Hafner, die thematisch an Kreses ersten Gedichtband »Danes« (Drava 1989) bzw. »Gestern, heute, morgen« (Suhrkamp 1992) anschließen. Für das unbehauste lyrische Ich scheint es keinen Ort des Beheimatetseins zu geben. Das Heute ist immer eine Station auf dem Weg von da nach dort. Orte, Städte blitzen auf, stehen nebeneinander, wie Krieg und Frieden. In der einen Stadt wächst Salat auf den Gräbern, in der anderen ist es schon der Willkommensgruß, der an den Abschied gemahnt und kein Bleiben gewährt. Und doch hält das lyrische Ich der Unruhe und Rastlosigkeit stand, verortet sich in »Stenogrammen des Alltags« (Ilma Rakusa). Das Wort und die Worte, die zur Sprache gebrachten Wahrnehmungen und Eindrücke sind es, die den Leser, die Leserin mitnehmen auf die Suche nach der Gegenwart, dem Leben.

Gedichte / Pesmi

Maruša Krese geboren 1947 in Ljubljana; Studium der Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Psychotherapie in Slowenien, den USA, Großbritannien und den Niederlanden. Von 1975 bis 1990 Psychotherapeutin in Ljubljana, London und Tübingen. Seit 1990 freie Journalistin und Schriftstellerin mit wechselnden Wohnsitzen (Berlin, Ljubljana, Graz). Für ihr humanitäres Engagement im Bosnienkrieg erhielt sie 1997 das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Von 2005 bis 2006 war sie Grazer Stadtschreiberin.
Ihr in knapp zwei Jahrzehnten geschaffenes Œuvre umfasst neben Features, Hörspielen und Essays zahlreiche Buchpublikationen, darunter sechs Lyrikbände, drei davon im Drava Verlag. Für ihren Prosaband Vsi moji božici (2006), ihre erste selbstständige Veröffentlichung in Slowenien, der schon ein paar Monate zuvor in deutscher Übersetzung als Alle meine Weihnachten bei Drava erschienen war, wurde sie mit dem Fabula-Preis 2008 für die beste slowenische Kurzprosa der letzten zwei Jahre ausgezeichnet.

... der jüngste Gedichtband der 1947 in Ljubljana geborenen, seit vielen Jahren in Deutschland und Österreich lebenden slowenischen Lyrikerin und Essayistin Maruša Krese, liest sich wie die Summa eines rastlosen, nomadischen Lebens. Umzüge, Abschiede, Provisorien, Unbehaustheiten sind die Leitmotive der Gedichte, deren lyrisches Ich – klagend, fragend und hadernd – den Gegebenheiten Ausdruck verleiht: der wachsenden Einsamkeit, dem Alter, der Brüchigkeit der Existenz. Von Verrat und Desillusion ist die Rede, von Täuschung und Tod. Und immer wieder vom zerstörten Sarajevo, an dessen Schicksal Krese während der Belagerung teilnahm. Schwer zu sagen, was an den (zu Zyklen geordneten) lakonisch herben und litaneihaft elegischen Versen mehr berührt: ihre ungekünstelte Bekenntnishaftigkeit oder ihr schlichter Zauber ... (Ilma Rakusa, NZZ)

Palästina, Gaza, 2005
All diese Historien,
die jüdische, die muslimische
und unsere.
Das Leben schmerzt nicht mehr.
Das von letzthin, das alte,
die Tode, die Schritte,
die Grenzen alle, das Heucheln,
die Granaten, die Rechte, die Soldaten.
All das Meucheln,
all das Ansuchen
um Passierscheine für den Himmel.
Palestina, Gaza, 2005
Vse te zgodovine,
židovske, muslimanske
in naše.
Življenje je nehalo boleti.
Tisto zadnjic, tisto staro,
tiste smrti, ti koraki,
vse te meje, to hinavstvo,
te granate in pravice in vojaki.
Vse to klanje,
vse to iskanje
pravih dovolilnic za vstop v nebesa.