Mit seinem Essay weist der Klagenfurter Germanist und Literaturkritiker Klaus Amann schlüssig nach, wie wenig der literarische Betrieb Ingeborg Bachmanns insistierend geäußertem Wunsch nach Diskretion nachgekommen ist. Dass die Schriftstellerin damit in allem, was sie über männliches Verhalten und über die Ausbeutungsstruktur des Literaturbetriebs geschrieben hat, bestätigt wird, ist Beweis für die zeitlose Gültigkeit und Aktualität ihrer literarischen Anliegen. Mit Klaus Amanns brilliant geschriebenem Essay, einem Plädoyer für Diskretion im Umgang mit Biographien, findet diese Erkenntnis Eingang in die Literaturkritik und Literaturgeschichte der Gegenwart.

Ingeborg Bachmann und die literarische Öffentlichkeit

Wie geht ein männlich dominierter Literaturbetrieb mit dem Werk einer
Schriftstellerin um?
Klaus Amanns Essay ist eine Abrechnung mit den selbsternannten Freunden und Mentoren Ingeborg Bachmanns.

Klaus Amann, a. o. Univ.-Prof. Dr. phil., geb. 1949, lehrt neue deutsche Literatur an der Universität Klagenfurt/Celovec und ist Leiter des Robert-Musil-Instituts der Universität. Autor zahlreicher Publikationen, Juror des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs.

... Amann seziert das Vorgehen dieser »Künstler« mit messerscharfer Präzision in allen schockierenden Einzelheiten. Für jeden, der Ingeborg Bachmann als Mensch wie ihrem Werk Sympathie entgegenbringt, ist dieses Büchlein obligatorische Lektüre ... (Markus Schurr, Scriptum, Das Schweizer Literaturmagazin)

... Am Beispiel Ingeborg Bachmanns zeigt Amann, wie sehr gerade alte Literaturherren aus verschmähter Liebe oder unterdrückter Geilheit heraus zu Leichenfledderei neigen ... (Helmuth Schönauer, Literaturzeitschrift Podium)

... Es ist das Verdienst von Klaus Amanns knappem, äußerst dichtem Bändchen, an ein für die Moderne zentrales Thema und für das Verständnis Ingeborg Bachmanns geradezu zwingendes Motiv erinnert zu haben ... (Michael Basse, Wespennest)

… »Menschlichkeit: den Abstand wahren können. Haltet Abstand von mir oder ich sterbe, oder ich morde, oder ich morde mich selber. Abstand, um Gottes willen!« (I. B., II, 104)
Abstand halten vom anderen, seine Privatsphäre, sein Geheimnis zu respektieren, Diskretion zu üben, was hier als Inbegriff menschlichen Verhaltens formuliert ist, hat zum Gegenbild die Ausbeutung, den Mißbrauch, die Demütigung des anderen. Davon handeln die meisten Texte Ingeborg Bachmanns, vor allem aber das »Todesarten«-Projekt, an dem sie ihr halbes Schriftstellerleben lang gearbeitet hat. Gewalt, Rufmord, Erpressung, Übergriffe, Ausbeutung der Intimität, mangelnder Respekt vor dem anderen, vor seinem Geheimnis, sind die bestimmenden Kräfte für das »Gemetzel« auf dem »allergrößte[n] Mordschauplatz«, als den Ingeborg Bachmann in »Malina« die Gesellschaft bezeichnet ...