Der Roman beginnt als Thriller mit einem filmreifen Showdown: Ein Antiterrorkommando hat den Auftrag, im Neboticnik, dem historischen Wolkenkratzer im Zentrum Ljubljanas, eine islamistische Zelle auszuschalten. Der Scharfschütze Ožbalt, der den »Propheten« eliminieren soll, entdeckt völlig unerwartet seine Ex-Lebensgefährtin Maja unter den Zielen. Als er schließlich einen mit einem Glasgefäß Flüchtenden in die Enge treibt, wird er vor die Wahl zwischen Tod und Leben gestellt.
Hier beginnt die Geschichte des Propheten Akbar, der ausersehen ist, die beiden »Völker des Buches« zu vereinen. Pregelj verknüpft kunstvoll zwei Legenden, die von den Jahrhunderte dauernden Vorbereitungen für Akbars Ankunft und der Suche nach dem Ort für sein gläsernes Minarett erzählen. Das Kartäuserkloster im untersteirischen Žice wird durch den erleuchteten Pater Theobald zu einem Knotenpunkt der Geschichte.
Wieder in der Gegenwart spielt der dritte Teil: Ožbalt und Maja haben den Einsatz im Neboticnik überlebt, sich zu einem gemeinsamen Leben entschlossen und versuchen, das wie im Traum Geschehene in den Alltag zu integrieren. Ihre Tochter, ein Wunderkind, scheint aber mit Engeln in Verbindung zu stehen, die sie zu einer »Wissenden« erziehen.
Pregeljs Roman beschreibt den Clash archetypischer Grundkonstellationen, der auch im Kontrast zwischen den actiongeladenen Sequenzen im ersten Teil und der Langsamkeit der Legenden im zweiten zum Ausdruck kommt. Gašper Troha bezeichnet das Buch in seinem Nachwort zur Originalausgabe als Metapher der gegenwärtigen Welt, in der zahlreiche New-Age-Philosophien die Versöhnung zwischen den Religionen predigen, »doch erweisen sich alle diese Lösungen als substanzlos. Die Welt hat keinen transzendenten Sinn, da sind lediglich Menschen und das, was sie tun.«

Roman

Kunstvolle Verknüpfung zweier Legenden zwischen den Jahrhunderten

Sebastijan Pregelj, geb.?1970, gilt in Slowenien als einer der interessantesten jüngeren Autoren und kam mit jedem seiner bisher drei Romane auf die Shortlist für den begehrten Kresnik-Preis.
Veröffentlichungen: Svinje brez biserov (2002, Schweine ohne Perlen, Kurzprosa), Leta milosti (2004, Jahre der Gnade, Roman), Na terasi babilonskega stolpa (2008, Auf der Terrasse des Turms von Babel, Roman), Mož, ki je jahal tigra (2010, Der Mann, der den Tiger ritt, Roman), Prebujanja (2011, Arten des Erwachens, Kurzprosa).

Bruder Theobald lebte das neunte Jahr in dem fast geräumten Krankenhaus des Heiligen Thomas in Akkon, als sich an einem Maimorgen von überall her die Mamluken über den Stadtmauern zusammenzogen. Die Einwohner hatten den Überfall erwartet, sprach man die letzten Wochen doch nur noch über die muslimische Armee, die sich nicht weit von hier sammelte. Jene, die Geld hatten, gingen rechtzeitig auf ein Schiff und verließen das Land, die anderen, die kein Geld hatten, blieben in der Stadt und warteten zusammen mit den Überresten des Kreuzfahrerheers auf ihr Ende.
In den letzten Tagen, als auch die Späher die Stadt nicht mehr verließen, tauchten auf den Straßen die verschiedensten Propheten auf. Die einen sprachen davon, dass ein Heer von Hundsköpfigen die Einwohner lebendig verschlingen würde, die anderen versicherten, dass Jesus Christus selbst mit himmlischen Heerscharen vom Himmel steigen und die Stadt retten werde. Der Erzengel Michael werde die Gottlosen mit dem Schwert niedermetzeln, der himmlische Sohn aber werde sich auf den goldenen Thron setzen, der in Jerusalem auf ihn wartet. Es ist fast da, das himmlische Reich!
Die Leute waren verwirrt und erschrocken. Auf das Ende waren sie nicht vorbereitet, mochten ihnen die Geistlichen und Propheten das eine oder das andere erzählen. Sie alle hatten das Gefühl, betrogen, getäuscht und um die Schönheiten dieser Welt gebracht worden zu sein. Die, die den Geistlichen lauschten und glaubten, dass noch viel schönere Dinge im Himmelreich auf sie warteten, wo es keine Reichen und Armen, Gesunden und Kranken geben werde, beruhigten sich irgendwie. Mit einem Gebet auf den Lippen erwarteten sie ergeben ihre letzte Stunde. Jene, die sich mit beiden Händen an das diesseitige Leben klammerten, obwohl es ihnen nicht so viel Gutes schenkte, wie sie bei anderen sahen, quartierten sich in den letzten Tagen in den verlassenen Häusern der Reichen ein, betranken sich mit Wein und gaben sich Genüssen aller Art hin.
Bis der Morgen anbrach, an dem ein höllischer Lärm, der von überall kam, die Stadtbewohner weckte. In den Kirchen und Kapellen begannen die Glocken zu dröhnen.