Sein letztes Buch, die Traumbilder (Podobe iz sanj), schrieb Ivan Cankar zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Das Grauen des Krieges, die Omnipräsenz und groteske Banalität des Todes, das radikale Infragestellen gesellschaftlicher Konventionen und persönlicher Rollenbilder stehen im Mittelpunkt des Buches.
Sprachlich und thematisch sind die Traumbilder, die bereits expressionistische Züge tragen, Cankars dichtestes Werk. Die dreißig Skizzen erscheinen als visionäre Poeme in Prosa, die in den »Jahren des Schreckens« eine Positionsbestimmung des modernen Menschen versuchen.
Band V der Werkausgabe

Nw. Erwin Köstler. (Bd. 5 der Cankar Werkausgabe)

»Mit diesem hochmütigen und niedergedrückten, stolzen und mitleidenden Ivan Cankar beginnt die moderne Literatur Sloweniens ...«
(Karl-Markus Gauß)

Ivan Cankar, geboren 1876 in Vrhnika (Slowenien), lebte als Schriftsteller in Slowenien und in Wien-Ottakring, hinterließ nach seinem Tod im Jahr 1918 ein 30-bändiges Gesamtwerk. »Mit diesem hochmütigen und niedergedrückten, stolzen und mitleidenden Ivan Cankar beginnt die moderne Literatur Sloweniens, und wenn der Begriff des Nationaldichters einmal paßt, dann auf ihn.« (Karl-Markus Gauß, Die Zeit)

... Poesie ohne Abstriche: so stellen sich die Traumbilder dar, als das letzte, widerständigste Werk des Autors ... (Martin Meyer, Neue Zürcher Zeitung)

... eine Sammlung beklemmender Prosapoeme, alptraumhafter Abgesang auf das alte Europa und das Südslawien der Habsburger ... (Benjamin Jakob, Neues Deutschland)

... Einst lebte ein junger Kerl, der eine breite schwarze Schleife trug, auf die Art gebunden, wie damals Friseure und Künstler sie trugen. Er war begeistert ohne Maß und Rand, begeistert gleichsam aus barer Begeisterung. Er liebte die Heimat, dass er schon bei ihrer bloßen Erwähnung zu weinen begann; auf offener Straße bot er ihr sein Herzblut an und er litt schwer, weil in jener Zeit keine Gelegenheit für edles Heldentum war. Und um dennoch sich keine Untätigkeit und Lauheit vorwerfen zu können, stocherte er in den Schlupflöchern die Feiglinge, Schleicher und Egoisten auf, und wen er erwischte, den packte er am Kragen und schleifte ihn gnadenlos an den Pranger. Wenn er mit straffen Schritten unter den Leuten marschierte, die hohe Stirn mit hellen Locken gekrönt, zeigten sie hinter ihm her, flüsterten: »Seht hin, das ist jener, das ist er!« … und die Welt hielt ehrfürchtig inne, wich aus, um ihm Platz zu machen ...