Durchreisende nehmen Friaul oft nur als Transit-geplagten Korridor oder als zersiedelte und industrialisierte Ebene wahr. Wer aber Halt macht und sich etwas näher umsieht, wird bald seinen kulturellen Reichtum, seine landschaftliche Schönheit und das üppige kulinarische Angebot zu schätzen wissen.
DIE LETZTEN TÄLER widmet sich einem weniger bekannten Aspekt der Region, nämlich ihrer Vorzüge als Wandergebiet. Schwerpunkt sind die Nebentäler der größeren Flussläufe und das einsame Hinterland Friauls, das vielfältige Kulturlandschaften mit Dörfern von melancholischem Reiz hervorgebracht hat.
Das Buch beschreibt 24 ausgewählte Wanderungen, bei denen sich dem Reisenden die unterschiedlichen Landschaften Friauls erschließen und sich besonders interessante Einblicke in die Geschichte und Kultur des Landes ergeben. Die meisten Routen führen durch altes Kulturland an den Ausläufern der alpinen Erhebungen. Es handelt sich also um keine Bergtouren, sondern fast ausschließlich um Kamm- und Talwanderungen, die auch von Ungeübten bewältigt werden können.
Da Friaul (im Gegensatz zu Slowenien) kein engmaschiges Eisenbahnnetz besitzt und auch die Busverbindungen rar sind, ist man bei der Anfahrt zu den vorgeschlagenen Routen größtenteils auf den eigenen PKW angewiesen; infolgedessen sind die meisten Touren als Rundwanderungen konzipiert. Trotzdem kommen auch Weitwanderer auf ihre Rechnung, können doch einige Touren zu mehrtägigen Unternehmungen zusammengefasst werden. In Summe folgen die Wanderungen einem Nord-Süd-Gefälle, also kann man auch diesmal – wenn auch mit mehreren Unterbrechungen – »von Kärnten zum Meer« wandern. Zwei grenzüberschreitende Wanderungen unterstreichen den multikulturellen bzw. trilateralen Aspekt des Buches.

Wanderungen an den Rändern Friauls

Das Wander-Reise-Lesebuch führt in reizvolle Landschaften, bietet kulturpolitische Hintergrundinformationen und Tipps für kulinarische Genüsse.

Gerhard Pilgram, geboren 1955 in Klagenfurt, Kulturmanager und bildender Künstler, ist Geschäftsführer des Universitätskulturzentrums UNIKUM. Publikationen u. a. An der Grenze des Erlaubten – Kunst und Zensur in Österreich (1996); Das Weite suchen (2006).

Annemarie Pilgram-Ribitsch, Studium der Deutschen Philologie und Medienkommunikation, Lektorin, diverse freie Text-, Redaktions- und Pressearbeiten, Dramaturgin der Graf Filmproduktion in Klagenfurt.

Wilhelm Berger, geboren 1957, Außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung IFF in Klagenfurt. Prodekan der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (Klagenfurt - Graz - Wien)

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.10.2008, Nr. 254, S. R6:
Hinunter in die Täler

Weil die Wege des Tourismus unerklärlich sind, gibt es faszinierende Wandergebiete in die sich kein Mensch verirrt. Das östliche Friaul ist so eines - das einsame Hügelland zwischen dem inneralpinen Kanaltal und dem slowenischen Karst. Zumindest der Mangel an deutschsprachiger Reiseliteratur ist jetzt keine Ausrede mehr, einen weiten Bogen um diese Terra Incognita zu machen. Das Universitätskulturzentrum "Unikum" aus Klagenfurt hat ein umfangreiches Wanderlesebuch vorgelegt, das neben Streckenvorschlägen vor allem einen Wunsch befriedigt, den die meisten anderen Reihen schon lange nicht mehre erfüllen: einen halbwegs umfassenden Uberblick über Geschichte und Gegenwart der durchwanderten Region zu bekommen. Gerhard PiIgram und seine Mitautoren dringen überall da in die Tiefe vor, wo herkömmliche Wanderführer allenfalls an der Oberfläche kratzen. So machen sie etwa das weitverbreitete Furlan zum Thema - jene drittgrößte Minderheitensprache Italiens, deren Zuordung zum Rätoromanischen inzwischen umstritten ist. Hintergründiges erfährt man auch über das gewaltige Blei-Zinn-Bergwerk, das das wildromantische Alpental von Predil jahrzehntelang in eine triste Industriezone verwandelte, und über die unterschiedlichen Wiederaufbaukonzepte nach dem katastrophalen Erdbeben, das 1976 in der Provinz Udine ganze Dörfer dem Erdboden gleichmachte. Statt das Idyll zu beschwören, halten sich die Autoren offen für Vielgesichtigkeit dieses unspektakulären Transitlandes und die Spannungen in den Orts- und Landschaftsbildern. Raum bleibt selbst für die Wahrnehmung des Unschönen, das es auch dort zu sehen gibt, wo der Tourismus noch nicht Fuß gefasst hat und noch keine Zweitwohnungssiedlungen die Hänge hinaufwuchern. Kein Wunder, dass sich Pilgram mit Schwarzweißaufnahmen begnügt. In ihrer feinen dokumentarischen Bildsprache machen sie klar, dass das Authentische dieser vergessenen Region in ihren Brüchen liegt. Vorgeschlagen werden achtzehn Tagestouren und eine siebentägige Rundwanderung durch die Natisone-Täler. Anstelle von GPS-Daten bekommt man detaillierte Wegbeschreibungen als Orientierungshilfe. Das genügt vollauf und schärft zudem den Wahrnehmungssinn, Klar, dass auf die örtliche Ausschilderung so wenig Verlass ist wie auf die italienischen Wanderkarten. Seinem Titel "Die letzten Täler" wird das Buch mehr als gerecht: Die Wanderungen führen immer wieder an Orte, in denen die Zeit stehengeblieben scheint, Orte der Stille wie Mogessa di qua und Stavoli, die keinerlei Straßenanschluss haben. Ohne dafür in die abgelegensten Winkel des Hochgebirges aufsteigen zu müssen, gerät man hier in die verlorene Welt des Zufußgehens - in das Reich der Langsamkeit, in dem man nicht einmal von Seinesgleichen behelligt wird. Daran wird vermutlich auch dieses vorbildliche Buch nichts ändern. Was will man als Wanderer mehr?

(Kärntner Tageszeitung:
Fast sind wir ihn schon gewöhnt – den anderen Ansatz, den anderen Blick, mit dem UNIKUM loszieht, um Unbekanntes in nächster Nähe ins Licht zu rücken. Nein, eigentlich auf den Wander – Plan. Das fünfte Buch der Wander – Reihe widmet sich den »letzen Tälern», den verborgenen Schönheiten Friauls.
Das Stille, oft Vergessene oder fast Verlassene ist den Erkundern nicht zu gering. Im Gegenteil, da knüpfen sie den geschichtlichen, soziokulturellen Faden ... Zu den peniblen Wegbeschreibungen kommen kulturhistorische Hintergrundinfos und Einkehr – Tipps. Ein bebilderter Leitfaden für Entdeckerseele, die sich auf Idylle mit melancholischer Grundstimmung ebenso einlassen wollen wie auf die Kehrseite der Medaille...

VII. VERSUNKENE WELT
Wanderung bei Moggio Udinese
Es ist wohl eine der schönsten und außergewöhnlichsten Tageswanderungen, die man im Friaul unternehmen kann. Drei malerische Dörfer, die noch nie ein Auto gesehen haben und in eine dramatische, von Schluchten und Wildbächen geprägte Landschaft eingebettet sind, liegen auf der Strecke. Die Route folgt weitgehend alten Kulturwegen und bietet so viel Abwechslung, dass man das ständige Auf und Ab gerne in Kauf nimmt.
Vom Kloster San Gallo in Moggio Udinese gelangt man rasch in den Wald und von dort über Serpentinen zu einem kleinen Pass, wo einen der erste Szenenwechsel erwartet. Ein unübersichtlicher Talkessel tut sich auf, der von einem Labyrinth aus Gräben und Rinnen gegliedert ist. Moggessa di la und Moggessa di gua, zwei fast verfallene Dörfer, liegen dies- und jenseits einer Schlucht und sind durch einen von moosbewachsenen Trockenmauern gesäumten Weg verbunden. Eine Handvoll Häuser, die zwischen den Ruinen wieder erstanden sind, trotzen Efeu und Gestrüpp. Jäh fällt der Weg zum kristallklaren Torrente Glanjo ab, den man in einer Furt durchquert. Fast ebenso steil ist der Anstieg bis Stavoli, das sich in wunderbarer Lage mit Gemüsegärten und gepflegten Wiesen umgibt. Nach dem Ortsaugenschein steht die letzte kurze Anstrengung bevor: ein neuerlicher steiler Abstieg über tausend Stufen mit tiefen Blicken in die Schlucht. Im Talgrund angekommen, wandert man, begleitet vom Fluss, bequem nach Campiolo und von dort in die Gegenwart zurück.
Anmerkungen:
Trittfestigkeit und Schwindelfreiheit erforderlich. Bei Nässe abzuraten. Nach längeren Regenfällen ist die Bachdurchquerung schwierig. Mehrere Bademöglichkeiten.
Wegbeschreibung:..